Albanisches Gewohnheitsrecht
Das ist der Kanun

Der Kanun ist das mündlich überlieferte alte Gewohnheitsrecht der Albaner. Er baut auf der Ehre auf. Daraus ergeben sich auch zahlreiche Pflichten.
Publiziert: 02.11.2022 um 00:50 Uhr
Hunderte von Albanerinnen und Albanern protestierten 2012 in der Hauptstadt Tirana mit einer Mahnwache gegen die Ermordung von Marie Cuku (†17), die bei einer Blutfehde in Nordalbanien getötet wurde. Immer wieder wird das Stammesrecht Kanun angewendet.
Foto: REUTERS

Der Kanun ist das jahrhundertealte albanische Gewohnheitsrecht. Es ist in mehreren regionalen Versionen überliefert. In abgelegenen Berggebieten in Nordalbanien und im Westen des Kosovo lebte die Bevölkerung fernab der Regierung und der Justiz. Die Menschen dort erarbeiteten sich darum ein eigenes Rechtssystem. Dessen Grundsätze wurden mündlich weitergegeben.

Der Kanun baut auf der Ehre auf und enthält Rechtsvorschriften für fast alle Bereiche des bäuerlichen Lebens: Familie, Heirat, Erbschaft, Bodenrecht und Handel. Zudem enthält er strafrechtliche Bestimmungen, darunter Regeln für die Blutfehde. Im Zentrum steht der Hausherr, es ist meist der älteste Mann der Grossfamilie. Das System ist sehr patriarchalisch, entsprechend schwach ist die Stellung der Frau. Es führt noch heute immer wieder zu Verbrechen.

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