An Weihnachten überraschte ich meine Freunde mit selbst gemachter Nutella. Die Freude bei ihnen war gross, die Ernüchterung bei mir ebenso. Denn seither liegt eine ganze Packung übrig gebliebener Haselnüsse in meinem Vorratsschrank.
Ich mag keine Nüsse. Wegwerfen will ich sie aber nicht einfach so – und befinde mich damit in der klassischen Zwickmühlen-Situation: Das Verfallsdatum rückt näher, mein schlechtes Gewissen wächst.
Zumindest bis gerade eben, bis ich einen Gemeinschaftskühlschrank in Zürich entdeckt habe. Dort kann man Lebensmittel deponieren – und im besten Fall auch welche mitnehmen. Ich mache mich auf den Weg zum Hubertus Café beim Letzigraben, wo das Gerät steht. In meiner Tasche: meine Nüsse – und die Bananen meiner Mitbewohnerin. Sie reist morgen in die Ferien.
Bis zu 2,5 Tonnen Food Waste pro Jahr
Der Kühlschrank in Zürich ist einer von 22 schweizweit, die Madame Frigo von Fribourg über Interlaken BE bis Lenzburg AG aufgestellt hat. Dahinter steckt ein Verein, der sich dem Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung verschrieben hat.
In der Schweiz vergeuden nicht nur die Grosskonzerne und Restaurants massenhaft Essen. Fast die Hälfte geht auf das Konto von privaten Haushalten. So kommen landesweit über 2,5 Millionen Tonnen Esswaren in den Abfall, die da nicht hingehören.
Wir Schweizer können es uns auch leisten. Nur sieben Prozent unseres Haushaltseinkommens geben wir für Lebensmittel aus. Zum Vergleich: In Kamerun fliessen fast 50 Prozent des Geldes in Essen; ein Bruchteil davon landet im Müll.
Migros unterstützt die Initiative seit einem Jahr
Entstanden ist Madame Frigo wegen eines Catering-Jobs, den eine der Gründerinnen hatte. «Sie sah da, wie viele noch geniessbare Lebensmittel weggeworfen werden, und war geschockt», erzählt Vereinssprecher Lukas Siegfried. Sie handelte und gründete 2014 zusammen mit Gleichgesinnten die Initiative «Bern isst Bern». In der Schweizer Hauptstadt standen auch die ersten Kühlschränke.
Seit über einem Jahr nun unterstützt der Förderfonds Engagement Migros das Projekt. Das verlieh ihm zusätzlichen Schub. Seither expandieren die Initianten in andere Regionen. Und so musste der alte Bern-bezogene Name weichen. «Schliesslich soll die Bezeichnung auch in der Romandie und im Tessin verständlich sein.»
Ohne Freiwilligenarbeit könnte der Verein aber nicht überleben: Neben dem achtköpfigen Team engagieren sich 50 Leute unentgeltlich. Die Freiwilligen halten die Kühlschränke sauber und sorgen dafür, dass kein verdorbenes Essen zurückbleibt. Was sich meist erübrigt. «Bis jetzt ist das Essen immer weggekommen», sagt Siegfried.
Neue Standorte haben Anlaufschwierigkeiten
Alles darf aber nicht im Kühlschrank versorgt werden. Oberstes Gebot: Das Essen muss noch geniessbar sein. Bei verschlossenen Produkten darf das Mindesthaltbarkeitsdatum zwar überschritten sein, nicht aber das Verbrauchsdatum. Erlaubt sind zudem Obst, Gemüse und Brot. Fleisch oder Fisch hingegen haben im Gemeinschaftskühlschrank nichts verloren.
Vor so einem stehe ich jetzt in Zürich. Gespannt öffne ich die Tür – und stelle ernüchtert fest: Da ist nichts drin, nicht einmal ein Brotkrümel. Ich lege meine Haselnüsse und die Bananen hinein und frage beim Besitzer des Cafés verwundert nach.
Wie sich herausstellt, ist der Kühlschrank immer leer. Noch sorgt nur das Lokal für Nachschub. Er hat erst zweimal beobachtet, dass Private übrig gebliebene Esswaren hineinlegen – obwohl das der Sinn des Konzepts von Madame Frigo ist. Die Leute bedienen sich lieber.
Klarsichtmappen und Schulordner im Eisfach
Ähnliche Erfahrungen macht der Verein auch auf dem Land. In Altdorf ist Chiara Gisler für einen Kühlschrank verantwortlich. Ein Lebensmittelgeschäft fülle ihn fast täglich. «Innerhalb weniger Stunden ist er wieder leer», sagt die Studentin.
Das Feedback sei positiv, die Leute interessieren sich fürs Projekt. Doch: «Es wäre enorm wichtig, dass mehr Private den Kühlschrank mit Lebensmitteln füllen.» Mit Lebensmitteln, nicht mit Plunder. Klarsichtmäppchen und leere Schulordner – auch das hat sie schon herausgezogen.
Expansion ins Bündnerland und Tessin geplant
Vereinssprecher Siegfried führt die Startschwierigkeiten darauf zurück, dass es die beiden Standorte erst seit kurzem gibt. «Bis Madame Frigo an einem neuen Ort bekannt wird, dauert es einige Wochen.»
Er verweist auf Bern und Thun BE. Dort klappe das Hineinlegen und Herausnehmen längst reibungslos. Einige Geräte stünden sogar in privaten Gärten – und auch das funktioniere. «Wichtig ist, dass der Kühlschrank rund um die Uhr für alle zugänglich ist», sagt Siegfried.
Als Nächstes wollen die Initianten neue Gebiete erschliessen. Chur und Lugano stehen auf ihrer Wunschliste. Noch sind sie aber auf der Suche nach Freiwilligen aus diesen Regionen.
Zurück nach Zürich, 24 Stunden später. Ein Blick in den Kühlschrank zeigt: Die Haselnüsse und die Bananen sind weg. Der Kühlschrank ist wieder leer.
Madame Frigo ist nicht das einzige Projekt, das die Lebensmittelverschwendung bekämpft. Die Vereine RestEssBar oder Fair-Teiler verfolgen ebenfalls ein Kühlschrank-Konzept. Und unter dem Motto «Frisch von gestern» bietet die Äss-Bar in ihren Läden all das an, was Bäckerei-Partner nicht verkaufen. Zum reduzierten Preis. Der Kampf gegen Food Waste wird auch im Internet geführt. Blogs wie nachhaltigleben.ch oder leaf-to-root.com halten leckere Reste-Rezepte bereit. Und über die App TooGoodToGo können Mahlzeiten von Restaurants, aus der Bäckerei oder direkt vom Lebensmittelladen zu vergünstigten Preisen bezogen werden. Mehr als 1600 Schweizer Unternehmen arbeiten mit dem App-Betreiber zusammen.
Madame Frigo ist nicht das einzige Projekt, das die Lebensmittelverschwendung bekämpft. Die Vereine RestEssBar oder Fair-Teiler verfolgen ebenfalls ein Kühlschrank-Konzept. Und unter dem Motto «Frisch von gestern» bietet die Äss-Bar in ihren Läden all das an, was Bäckerei-Partner nicht verkaufen. Zum reduzierten Preis. Der Kampf gegen Food Waste wird auch im Internet geführt. Blogs wie nachhaltigleben.ch oder leaf-to-root.com halten leckere Reste-Rezepte bereit. Und über die App TooGoodToGo können Mahlzeiten von Restaurants, aus der Bäckerei oder direkt vom Lebensmittelladen zu vergünstigten Preisen bezogen werden. Mehr als 1600 Schweizer Unternehmen arbeiten mit dem App-Betreiber zusammen.