An der Start-Studie (Strategic Timing of Antiretroviral Treatment) nahmen 4685 HIV-infizierte Patienten aus 35 Ländern - auch aus der Schweiz - teil. Per Los wurde entschieden, wer sofort mit einer medikamentösen Behandlung beginnen und wer abwarten sollte, bis ein Labortest den Beginn der Abwehrschwäche - eine Abnahme der Immunzellen - feststellte.
An der Studie waren auch das Inselspital Bern und die Universitätsspitäler Zürich, Genf und Basel beteiligt. Nach etwa drei Jahren zeigte sich, dass jene Patienten, die sofort mit der Behandlung begonnen hatten, nur halb so viele schwerwiegende gesundheitliche Probleme hatten, wie erst später behandelte Patienten.
Deshalb beschlossen die Forschenden, der unbehandelten Kontrollgruppe die Behandlung nicht länger vorzuenthalten. Bisher war man davon ausgegangen, dass eine so frühe Therapie den Betroffenen keinen Nutzen bringt, wie das Inselspital in einer Mitteilung schreibt.
Auch die Zahl der lebensbedrohenden Krankheiten oder Todesfälle war mit früher Therapie geringer, allerdings waren solche Fälle in beiden Studiengruppen sehr selten: 6 von 1000 Patienten aus der Frühbehandlungsgruppe erlitten während eines Jahres eine der genannten Komplikationen, gegenüber 12 in der Gruppe ohne Behandlung.
Besonders wichtig ist dieses Resultat, da eine frühere Studie bereits gezeigt hat, dass sich bei früher Behandlung die gesunden Sexualpartner praktisch nicht anstecken. «Eine frühe Behandlung möglichst aller HIV-Infizierten könnte demnach die HIV-Epidemie stoppen», zitiert die Mitteilung Hansjakob Furrer vom Inselspital, der die Studie in der Schweiz leitete.
Die Resultate stimmen mit denen der schweizerischen HIV-Kohortenstudie überein: Diese zeigt, dass bei rund 95 Prozent der von Spezialisten behandelten Patienten ein vollständiger Behandlungserfolg erreicht wird, also das HI-Virus im Blut nicht mehr nachgewiesen werden kann.
Die Studie habe den «unwiderlegbaren Beweis erbracht, dass es ein grösserer Gewinn für die Gesundheit eines HIV-Infizierten ist, eher früher als später mit einer antiretroviralen Therapie zu beginnen», sagte der Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) in den USA, Anthony Fauci.
Allerdings wüssten wahrscheinlich über zweitausend Personen in der Schweiz gar nicht, dass sie HIV-infiziert sind, weil sie sich bisher nicht haben testen lassen, schätzt Furrer. Die Studienresultate legen nahe, dass Personen mit einem HIV-Risiko sich testen lassen sollten, damit sie behandelt werden können.
Entscheidend sei dabei allerdings die Bereitschaft des Patienten zum Behandlungsbeginn, da nur konsequent täglich und lebenslang eingenommene Medikamente die gezeigten Vorteile garantieren. «Wer einen positiven Test hat und sich gleich behandeln lässt, hat eine ähnliche Lebenserwartung wie die schweizerische Allgemeinbevölkerung und gibt die Infektion nicht weiter», sagte Furrer.
Schätzungen zufolge sind weltweit 35 Millionen Menschen mit HIV infiziert, aber nur rund 13 Millionen erhalten eine solch frühzeitige Behandlung. Die vom Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID) in den USA hauptfinanzierte Start-Studie startete 2011 in 35 Ländern.