Im Gegensatz zur Ernährungssouveränitäts-Initiative der Bauerngewerkschaft Uniterre schreibt sie dem Bund nicht verbindlich vor, Einfuhrzölle zu erheben. Die Verpflichtung, dass importierte Lebensmittel umwelt- und ressourcenschonend, tierfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt worden sein müssen, ist bewusst offen gehalten.
Unterschiede zwischen Fair-Food- und Ernährungssouveränitäts-Initiative
Anders als die Ernährungssouveränitäts-Initiative bezieht sich die Fair-Food-Initiative auch nicht auf Schweizer Standards. Wenn sich die Schweiz an internationale Standards halte, gebe es keinen Konflikt mit internationalem Recht, betonte Bundesrat Alain Berset im Nationalrat.
Dass die Fair-Food-Initiative Spielraum für eine Umsetzung lässt, die sich mit internationalem Recht verträgt, geht auch aus der Botschaft und aus den Abstimmungsunterlagen hervor. Anders bei der Ernährungssouveränitätsinitiative, die Zölle auf Produkten verlangt, die nicht den sozialen und ökologischen Normen der Schweiz entsprechen. Nach Ansicht des Bundesrats verletzt das WTO-Recht, das EU-Agrarabkommen und verschiedenen Freihandelsabkommen.
Hinzu kommt, dass die Uniterre-Initiative die Schweizer Landwirtschaft von Grund auf umbauen will. Der Bund müsste Einfluss nehmen auf Betriebe, Produktion, Preise und die Lebensmittelindustrie. Vor dem Hintergrund dieser Unterschiede erstaunt es nicht, dass die Grünen keine Nähe suchen.
«Das Abstimmungskomitee ist breit aufgestellt. Daher war es von Anfang an klar, eine eigene Kampagne zu machen», sagte Nationalrätin Maya Graf (BL) als Co-Präsidentin des Initiativkomitees der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Wir tauschen uns aus, aber wir gehen alleine.»
Stimmberechtigte unterscheiden kaum zwischen Initiativen
Graf versteht jedoch gut, dass die Stimmberechtigten Sympathien für beide Initiativen haben. «Beide gehen Richtung Nachhaltigkeit und Regionalität», sagte sie. Wie sich das auf die Kampagnen auswirke, lasse sich kaum beurteilen.
Bei Uniterre betont man eher die Gemeinsamkeiten. «Wir ziehen am gleichen Strick», sagt Sprecherin Michelle Zufferey auf Anfrage. Auf nationaler Ebene liefen die Kampagnen getrennt. Aber in einigen Kantonen arbeiteten die Komitees eng zusammen, besonders in der Romandie. In Genf seien sogar gemeinsame Plakate gedruckt worden. Die regionalen Komitees seien frei, über das Vorgehen zu entscheiden, sagte Graf dazu.
Vorläufig unterscheiden die Stimmberechtigten jedenfalls kaum zwischen den Initiativen. Die Trendumfrage von gfs.bern im Auftrag der SRG ergab 78 Prozent Ja für die Fair-Food-Initiative und 75 Prozent Ja für die Ernährungssouveränitäts-Initiative. Das ist kein Zufall: Die Stimmabsichten zu den beiden Vorlagen seien eindeutig korreliert, heisst es in der Studie. «Wer zur einen Vorlage Ja sagen will, tut das mit grosser Wahrscheinlichkeit auch bei der anderen.»
Ob das Schicksal der Initiativen bis zur Abstimmung am 23. September verknüpft bleibt, ist offen. Die Gegner scheinen ihre Kampagne darauf auszulegen, die Initiativen in einen Topf zu werfen und die Schwäche der einen auch gegen die jeweils andere auszuspielen.
Lukas Golder von gfs.bern hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass die Stimmberechtigten die beiden Initiativen mit der Zeit differenziert beurteilen. So stelle zum Beispiel das Abstimmungsbüchlein die Unterschiede sehr präzise dar. Auch hätten die beiden Vorlagen unterschiedliche Zielgruppen. (SDA)
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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