Der Vertreter der Bundesanwaltschaft verlangte am Freitag vor dem Bundesstrafgericht eine Verurteilung wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst, unbefugter Datenbeschaffung und Verletzung des Bankgeheimnisses. Auch der Vertreter der von Falciani geschädigten Bank HSBC verlangte eine schwere Bestrafung.
Falciani als «Whistleblower» zu bezeichnen, sei eine Beleidigung dieser Informanten, sagte Carlo Bulletti, der Vertreter der Bundesanwaltschaft, in seinem Plädoyer in Bellinzona. Die Darstellung Falcianis als «weisser Ritter» sei ein Lügengespinst.
Bulletti erinnerte an die verschiedenen Phasen der kriminellen Aktivitäten Falcianis. Zuerst sei er in Kontakt mit Saudi-Arabien gestanden, danach mit libanesischen Banken - um die Daten dann ausländischen Behörden zu geben. «Wir wissen nicht, ob Hervé Falciani sich für die Daten bezahlen liess», sagte Bulletti.
Aber das sei nicht wichtig, um eine Verurteilung zu begründen. Denn für den Ankläger ist der Fall von wirtschaftlichem Nachrichtendienst erwiesen. Dafür spreche die Dauer der kriminellen Aktivität und der Wert der verratenen Geheimnisse, welcher für die Schweiz eine diplomatische Krise bedeutet habe.
Angesichts der Umstände und der kriminellen Energie, mit der der Angeklagte zu Werke gegangen sei, sei eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren angezeigt, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft.
Das Bild vom «tapferen Ritter» und vom «Whistleblower» wies auch der Vertreter der geschädigten Bank HSBC zurück. Der ehemalige Informatiker der HSBC habe den grössten in der Welt je begangenen Bankraub verübt, sagte Laurent Moreillon vor Gericht.
Die Daten, die Falciani an sich genommen habe, entsprächen dem Inhalt von 5300 Bundesordnern, führte Moreillon aus. Die Kollateralschäden für Kunden, die Bank sowie für das Image des Finanzplatzes Schweiz und für Genf seien nicht abzuschätzen.
Die Verbreitung der Daten habe zur grossen Mehrheit ehrliche Kunden getroffen. In den Augen des Vertreters der Bank ist es indes nicht möglich, den Schaden in Zahlen auszudrücken. Er werde von Sekunde zu Sekunde grösser, denn Falciani biete seine Listen im Ausland nach wie vor an, sagte Anwalt Moreillon.
Der amtliche Verteidiger Marc Henzelin dagegen forderte eine bedingte Freiheitsstrafe. Falciani habe leichten Zugang zu einer enormen Menge von Daten gehabt, sagte er in seinem Plädoyer. Wie Bradley Birkenfeld hätte Falciani die US-amerikanischen Behörden informieren und dafür 140 Millionen Franken erhalten können.
Falciani habe das aber nicht getan. Stattdessen sei er nach Beirut gereist für «eine nicht sehr ruhmreiche Episode». Es gebe kein Indiz dafür, dass die Daten, die er dort habe verkaufen wollen, von der Bank HSBC stammten, so der Verteidiger. «Was wollte er verkaufen? Daten aus dem Internet, sein Know how? Man weiss es nicht.»
Man habe es nicht mit einem Spion zu tun, der versucht habe, Codes zu knacken um an Daten zu kommen. Wenn Falciani ein Datendieb sei, sei dies auf die erleichternden Umstände zurückzuführen. Henzelin verwies auf Sicherheitslücken bei der betroffenen Bank. Die Forderungen der Zivilparteien wies er ab.
Der Prozess hatte am Montag begonnen, ohne den Angeklagten. Obwohl die Schweiz dem französisch-italienischen Doppelbürger Falciani einen «Passierschein» angeboten hatte, hatte der Angeklagte auf eine Reise nach Bellinzona verzichtet. Das Bundesstrafgericht will sein Urteil am 27. November eröffnen.