Heute ist die Stiefkindadoption Ehepaaren vorbehalten. Künftig soll sie in allen Paarbeziehungen möglich sein, unabhängig vom Zivilstand und von der sexuellen Orientierung.
Der Stiefkindadoption für homosexuelle Paare in eingetragener Partnerschaft stimmte der Nationalrat mit 127 zu 60 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu, gegen den Willen der SVP.
Umstrittener war die Frage, ob die Stiefkindadoption auch für Paare in faktischen Lebensgemeinschaften zugelassen werden soll - also für Paare ohne Trauschein oder eingetragene Partnerschaft. Der Rat sprach sich mit 95 zu 92 Stimmen bei 2 Enthaltungen dafür aus.
Gegen die Stiefkindadoption für Konkubinatspaare stellten sich neben der SVP auch die CVP und die BDP. Die Gesellschaft dürfe verlangen, dass sich ein Paar rechtlich binde, wenn es ein Kind an sich binden wolle, argumentierten sie. Ein Trauschein oder eine eingetragene Partnerschaft sei als Voraussetzung zumutbar. Die Mehrheit folgte aber dem Bundesrat und dem Ständerat.
Die Gesetzesrevision soll der Tatsache Rechnung tragen, dass immer mehr Kinder bei unverheirateten Paaren aufwachsen. Die Adoption fremder Kinder wird gleichgeschlechtlichen Paaren weiterhin nicht erlaubt sein. Einzelpersonen dagegen dürfen - wie bereits heute - ein Kind adoptieren.
Das Zusammenleben sei vielfältiger geworden, stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga fest. Man könne das bedauern. Aber ein liberales Familienrecht sollte das abbilden, was gelebt werde. Sonst litten die Schwächsten darunter, also die Kinder. Deren Wohl müsse im Zentrum stehen.
Zur Debatte stehe, wie Kinder abgesichert seien, wenn sie den leiblichen Elternteil verlören. Ihnen die rechtliche Absicherung und damit etwa den Unterhaltsanspruch zu verweigern, weil der leibliche Vater oder die leibliche Mutter nicht geheiratet habe, sei nicht im Sinne des Kindeswohls. «Wenn es Ihnen nicht passt, dass erwachsene Menschen ohne Trauschein zusammenleben, dann bestrafen Sie doch nicht das Kind dafür», sagte Sommaruga.
Die Gegnerinnen und Gegner zogen in Zweifel, dass die geplanten Änderungen tatsächlich im Interesse der Kinder sind. Zuerst sollte geklärt werden, was «Kindeswohl» überhaupt bedeute, sagte Pirmin Schwander (SVP/SZ). Streitfälle seien programmiert. Es gehe nicht um die Frage, ob ein Kind bei gleichgeschlechtlichen Eltern gut aufgehoben sei oder nicht, versicherte der SVP-Nationalrat.
Yves Nidegger (SVP/GE) stellte fest, die Öffnung der Adoption für Unverheiratete bedeute mehr Unsicherheit für das Kind. Das Paar könne sich einfacher trennen. Die Gesellschaft habe sich verändert, aber Kinder hätten, wenn sie zur Welt kämen, immer noch einen biologischen Vater und eine biologische Mutter.
Die Gegner befürchten, dass es sich nur um einen ersten Schritt handelt: In einem nächsten könnte gleichgeschlechtlichen Paaren auch die Adoption fremder Kinder erlaubt werden. Andreas Glarner (SVP/AG) sprach von «Salamitaktik». Sommaruga erinnerte daran, dass das Parlament die aktuelle Gesetzesrevision gefordert hatte. Über allfällige weitere Schritte werde ebenfalls das Parlament entscheiden können.
Die Stiefkindadoption ist nur ein Element der Revision. Der Nationalrat hat am Montag auch weitere Änderungen gutgeheissen. So soll das Mindestalter für die Adoption von 35 auf 28 Jahre gesenkt werden. Ferner ist die Dauer der Ehe nicht mehr ausschlaggebend: Das Paar muss künftig mindestens drei Jahre lang einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, um ein Kind adoptieren zu können.
Eine Änderung brachte der Nationalrat bei den Auskunftsrechten adoptierter Kinder an: Diese sollen nicht nur über ihre leiblichen Eltern Auskunft erhalten, sondern auch über ihre leiblichen Geschwister.
Einen absoluten Anspruch auf die Bekanntgabe der Personalien der leiblichen Eltern hat das Kind wie bisher erst dann, wenn es volljährig ist. Nach dem Willen des Nationalrates soll es nun darüber hinaus auch Auskunft über leibliche Geschwister und Halbgeschwister erhalten, wenn diese volljährig sind und der Bekanntgabe zugestimmt haben.
Der Nationalrat will ausserdem eine gesetzliche Grundlage für Suchdienste schaffen: Die kantonale Stelle, die für die Auskunft über leibliche Eltern und Kinder zuständig ist, soll einen spezialisierten Suchdienst beauftragen können.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Vorlage mit 115 zu 65 Stimmen bei 5 Enthaltungen gut. Die SVP hatte gar nicht erst darauf eintreten wollen. Alternativ schlug sie vor, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen. Der Nationalrat lehnte aber beides ab. Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat.