Gewalt in den Zügen
Beamte werden zwei Mal pro Tag angegriffen

Zugbegleiter werden beschimpft, bedroht und angegriffen. Eine Initiative will diese Zustände ändern.
Publiziert: 09.12.2018 um 21:01 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2018 um 21:06 Uhr
Zugbegleiter melden jährlich rund tausend Fälle von Aggression.
Foto: Keystone
Cyrill Pinto

Freitagmorgen in Bellinzona: Ein junger Mann steht vor Bundesstrafgericht, weil er im März in einem Nachtzug eine Zugbegleiterin angegriffen haben soll.

Die Frau schildert, wie der Mann aus dem Kanton Zürich sie ohne Vorwarnung am Kopf packte und zu Boden riss. «Ich war völlig geschockt – vor allem, weil der Angriff aus dem Nichts kam.»

Seit 15 Jahren ist die Zugbegleiterin für die SBB im Einsatz, oft sei sie bei Kon­trollen mit gefährlichen ­Situationen konfrontiert. Doch Anzeige hat sie bisher erst zwei Mal erstattet. Der Vorfall im Nachtzug von Zürich nach Adliswil ZH vom vergangenen März war ­einer dieser Fälle.

Angriffe wie der auf die Zugbegleiterin kommen in der Schweiz immer häufiger vor: Registrierte die Polizei im Jahr 2000 noch 774 Mal Gewalt und Drohung gegen Beamte und Behörden, zählte man 2017 bereits 3102 Fälle – die Zahl der Anzeigen nahm seit den Nullerjahren stetig zu; in den letzten Jahren blieb die Statistik auf hohem Niveau unverändert.

Regionale Unterschiede

Betroffen sind Polizisten, Retter, Beamte – und eben auch Zugbegleiter. Sie werden beschimpft, bedroht oder im schlimmsten Fall tätlich angegriffen. SBB-Sprecher Reto Schärli: «Jährlich werden vom Personal etwas über tausend Aggressionen gemeldet.» Dank Ausbildung und Sensibilisierung des Personals hätten die Tätlichkeiten gegen SBB-Mitarbeitende in den letzten fünf Jahren nicht zugenommen.

Bei den Bundesbahnen beobachtet man regionale Unterschiede. In der Westschweiz ist die Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, offenbar höher als in der Deutschschweiz. Diese Feststellung stützen Zahlen der Kriminalstatistik.

So werden in der Romandie, gemessen an der Bevölkerung, mehr Verstösse gegen den entsprechenden Gesetzesartikel zur Anzeige gebracht als in der übrigen Schweiz.

Initiative findet Zuspruch

Aus der Politik kommt nun eine Initiative, etwas an diesen Zuständen zu ändern: Im Parlament ist ein Vorstoss des Tessiner CVP-Nationalrats Marco Romano (36) hängig, der eine Erhöhung des Strafrahmens bei Gewalt und Drohungen gegen Beamte und Behörden fordert. Noch steht die Behandlung des Themas im Parlament aus – doch das Anliegen stösst reihum auf Zustimmung.

CVP-Mann Romano verlangt, dass Tätlichkeiten gegen Beamte bei der Ausübung ihres Berufs in Zukunft mit mindestens drei Tagen Gefängnis bestraft werden.

Wegen des Übergriffs im Nachtzug von Zürich nach Adliswill soll Robert R.* mit einer Geldstrafe von 9900 Franken bestraft werden. Der 30-Jährige, der wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand vorbestraft ist, bestreitet die Tätlichkeit. Die Zugbegleiterin sei hysterisch gewesen. Er habe sie freundlich nach dem SMS-Code für das Nachtticket gefragt. Stattdessen hätten sich die Kontrolleure auf ihn gestürzt; ein Kollege der Kondukteurin habe gar nach ihm getreten, weshalb sein Fuss eine Woche lang geschwollen war.
In Bellinzona fiel am Freitag kein Urteil. Es wird den Parteien später schriftlich zugestellt.

*Name der Redaktion bekannt

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