In einem Ofen verglühte der Gold-Traum der Bäckerin Vera Stocker (21) an den Berufsweltmeisterschaften in Luzern. Am ersten Morgen der zweitägigen Prüfung verlor die Luzernerin vergangene Woche den Überblick. Der Ofen mit den Baguettes ging vergessen. Statt den vorgesehenen 27 Minuten lagen sie 50 Minuten an der Hitze. «Das war richtig dumm», sagt Stocker zu Blick. Eigentlich hatte sie auf die Goldmedaille hingearbeitet und trainiert.
Einmal nicht aufgepasst, und schon schien alles dahin zu sein. Durch den Brutzel-Fauxpas verlor sie 13 Prozent aller Punkte. Aus der Traum auf den ersten Platz – überhaupt auf einen Platz auf dem Siegertreppchen. «Ich dachte, ich habe alles verloren.» An dem Baguette-Malheur hatte sie dann auch in der Mittagspause zu knabbern. Sie war verzweifelt und musste weinen.
Alles vorbei? Fehlanzeige! Die junge Bäckerin rappelte sich wieder auf. Das Baguette war zwar hinüber, aber der Wettkampf noch nicht. Und sie besann sich auf ihren Heimvorteil. Aufgrund der Corona-Situation in Shanghai (China) wurden die Weltmeisterschaften der 60 Berufe auf 15 Länder verteilt. Und der Wettkampf fand in der Richemont-Fachschule in Luzern statt. «Ich kannte die Räumlichkeiten und die Geräte.» Seit August 2021 arbeitet sie dort. Ein Umstand, den sie zu nutzen wusste. Ihr Zopf und ihre Brote kamen besonders gut aus dem Ofen.
Jury-Mitglied erklärt Bronzegewinn
Dass Stocker nicht aufgab, machte sich bezahlt. Trotz dem Ofen-Missgeschick bekam sie am Sonntag tatsächlich eine Bronzemedaille umgehängt. Aber wie war das möglich? Urs Röthlin (38), der sie in der Vorbereitung begleitete und Teil der 14-köpfigen Jury war, kann das erklären. «Es ist ganz einfach: Nebst der Baguette-Geschichte hat Vera hervorragende Arbeit geleistet. Zudem blieben auch die anderen nicht fehlerlos», sagt Röthlin.
Und dieses Mal kullerten wieder Tränen über das Gesicht von Stocker. Freudentränen. Nach zwölf Wettbewerben mit Schweizer Beteiligung hat das Berufsnationalteam nun bereits sieben Medaillen, davon zwei goldene, gewonnen.
Und für die Luzernerin könnte der Medaillen-Jubel weitergehen – wenn auch in einem anderen Gebiet. Denn: Neben dem Backen ist sie eine begeisterte Sportlerin. Ihre grosse Leidenschaft: die Leichtathletik. Stocker ist amtierende U23-Schweizer-Meisterin über 400-Meter-Hürden. In der kommenden Saison wird sie zum ersten Mal dem Nationalkader angehören. Und im kommenden Juli an der U23-Europameisterschaft für Furore sorgen, so der Wunsch.
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