Das Video schockiert. Ein Mann hält eine junge Katze mit der linken Hand am Schopf und zielt mit der rechten mit einer Pistole auf den Kopf des Tieres. 39 Sekunden dauert das Video. Im Hintergrund läuft das Lied «Alles aus Liebe» von der deutschen Band Die Toten Hosen. Der verstörende Text zum Video ist an die Band gerichtet: «He Jungs, ich brauche dringend einen RT (Anm. d. Red: einen Retweet, einen Klick zur Weiterverbreitung in sozialen Medien). Für Kumpels in der Karibik. Falls nicht, ist die Katze tot.»
Hinter dem Schockvideo steckt Leo Ferraro (50) aus Berikon AG. Er arbeitet als Onlineproduzent beim «Tages-Anzeiger», ist ehemaliger BLICK-Reporter – und in seiner Freizeit Katzenzüchter!
«Ich versuche den Leuten zu helfen»
Doch warum tut er so was? Ferraro: «Ich will mit Hilfe der prominenten Rocker die Reichweite meiner sozialen Medien vergrössern. Auf meinen Kanälen berichte ich ausführlich über die verheerende Zerstörung durch den Wirbelsturm Irma auf den British Virgin Islands (BVI), und versuche den Leuten zu helfen.»
Seit über 20 Jahren verbringt er jedes Jahr drei Monate auf den karibischen Inseln. Er leidet nach dem zerstörerischen Hurrikan mit den Menschen mit. Ferraro ist sich bewusst, dass sein Video auf grosse Kritik stösst. «Ich wollte die Toten Hosen zu einem Retweet bewegen, um meine Freunde zu unterstützen. Es soll ein Schrei nach Aufmerksamkeit sein», sagt er.
Shitstorm ausgelöst
Aber Hilfe auf Kosten der eigenen Katze erpressen? Was nach Wahnsinn klingt, hat für Ferraro einen bestimmten Grund: «Sänger Campino selbst hat mich zu dieser Aktion inspiriert. Die Band hatte 1993 jemanden gesucht, bei dem sie zu Hause ein Konzert geben wollte. Campino wählte denjenigen aus, der damit drohte, seinen Hund zu töten, wenn die Band nicht zu ihm käme.»
Und so macht sich Ferraro am Samstag ans Werk. «Ich rief meinen Neffen an und fragte ihn, ob er noch diese Schreckschusspistole hätte. Ich erklärte ihm meine Idee. Er war dabei. Er hielt die Katze, ich filmte.»
Die Reaktionen im Netz lassen nach der Publikation nicht lange auf sich warten. Schock. Fassungslosigkeit. Wut. Drohungen. Der Shitstorm nimmt seinen Lauf. Ferraro sagt zu den Kritikern: «Ich appelliere an den Humor. Es war ein Witz. Wer trotzdem ein Problem damit hat, muss halt damit leben», sagt Ferraro.
Er wäre fast querschnittsgelähmt gewesen
So, wie er mit seinem Schicksal leben müsse. Im März 2016 war er in seinen Ferien auf den BVI mit einem Motorrad gestürzt – und erwachte erst drei Tage später im Spital wieder. Weil die Ärzte kein MRI zur Verfügung hatten, bemerkten sie die Verletzungen an seiner Wirbelsäule und dem Rückenmark nicht. Und liessen ihn so nach Hause fliegen! Eine Not-OP in der Schweiz rettete ihn vor der Querschnittslähmung. Auch nach zwölf Monaten Reha leide er noch immer unter Schmerzen, an Lähmungserscheinungen und Hirnfunktionsstörungen.
Während Ferraro erzählt, streichen ihm seine Katzen um die Beine. Sie scheinen ihm verziehen zu haben. Er würde ihnen doch nie etwas antun, sagt er. Ob ihm das Netz auch so leicht verzeiht? Denn auf den ersehnten Klick der Rockband wartet er bis heute.
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