Die Schweiz wird Cendrim R.* wohl nie wieder betreten. Den Ort, an dem er aufwuchs, zur Schule ging – und an dem seine Eltern noch immer leben.
2013 wurde der 25-Jährige, offiziell Bürger von Serbien-Montenegro, ausgewiesen. Wegen «erheblicher Straffälligkeit» entzog ihm das Bundesamt für Migration die Aufenthaltserlaubnis. R. musste den Aargau verlassen. Er radikalisierte sich, schloss sich dem IS in Syrien an. Und wurde zum Attentäter.
Seit März 2014 sitzt Cendrim R. in einem türkischen Hochsicherheitsgefängnis. Im Juni 2016 wurde er verurteilt, zu fünfmal lebenslänglicher Haft, genauer: zu 174 Jahren und sechs Monaten. In der türkischen Stadt Nigde hatte er zusammen mit weiteren Islamisten einen Anschlag verübt. Drei Menschen starben, darunter ein Polizist und ein Soldat.
Jetzt kommt heraus: Beim Anschlag auf die Polizisten hatte Cendrim R. neben diversen Kalaschnikows, Pistolen und Bajonetten auch Handgranaten bei sich. Sie stammen aus der Schweiz. Das geht aus der Anklageschrift hervor, die SonntagsBlick vorliegt.
Darin heisst es: «Bei den Verdächtigen Cendrim R. und Benjamin X.* wurden gefunden: zwei Granaten des Typs ‹high explosive fragmentation HG85 SM8-03› und zwei Granaten des Typs ‹high explosive fragmentation OHG92 SM6-03 1›.»
Hergestellt wurden die Handgranaten vom Schweizer Rüstungskonzern Ruag. Sie haben ihre eigene Geschichte.
2012 machte die «SonntagsZeitung» publik, dass Schweizer Handgranaten im Bürgerkrieg in Syrien eingesetzt werden. Damals befanden sich die Granaten in den Händen der Freien Syrischen Armee, die sie gegen Syriens Machthaber Bashar al-Assad (50) einsetzte. Bilder zeigten Rebellen, die mit Granaten des Typs «OHG92 SM6-03 1» posierten. Genau diese Schweizer Handgranaten landeten schliesslich beim Terroristen R., der in Brugg AG aufwuchs.
Wie sich später herausstellte, stammten die Handgranaten aus einer Lieferung der Ruag an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Im Jahr 2003 hatte der Rüstungskonzern 225 162 Stück an den Golfstaat verkauft. Dieser verpflichtete sich zwar, die Waffen nicht weiterzugeben, hielt sich aber nicht daran. Wie das Schweizer Fernsehen später aufdeckte, sollen die VAE die Handgranaten an Jordanien verschenkt haben. Über die Türkei gelangten sie nach Syrien – und fielen dort über Umwege in die Hände von Cendrim R.
Ruag-Sprecher Jiri Paukert (52) betont: «Waffen gehören nicht in die Hände von Terroristen.» Deshalb beliefere man nur Staaten, die nach den Schweizer Exportvorschriften offen sind. «Die Ruag hat nie Kriegsmaterial nach Syrien geliefert.»
Dennoch landeten sie dort. Der Bundesrat verschärfte deshalb die Auflagen für Drittstaaten, damit sie Waffen aus der Schweiz nicht mehr weitergeben. Das hat laut Paukert Wirkung gezeigt, «die Verletzungen von Wiederausfuhr-Erklärungen sind äusserst selten».
*Namen der Redaktion bekann