A. R. aus Rafz ZH
Dieser Schweizer hilft Kinderquäl-Sekte

Die deutsche Justiz ermittelt gegen «Zwölf Stämme». Die Sekte quält Kinder.
Publiziert: 20.10.2013 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 18.10.2021 um 08:35 Uhr
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Von Roman Neumann

Das kleine Kind wimmert. Eine Frau zerrt es durch den dunklen Gang. Sie bringt das etwa dreijährige Mädchen in eine Art Heizungskeller. Das Kind weiss genau, was die Frau von ihm erwartet. Es  bückt sich, muss sein nacktes Hinterteil in die Höhe strecken. Dann schlägt die Frau zu. «Sag: Ich bin müde!», befiehlt sie. Das Kind schluchzt: «Nein.» Noch zehn Schläge, und sein Wille ist gebrochen: «Ich bin müde», sagt das Mädchen leise. Erst da lässt die Frau von ihm ab.

Diese verstörenden Bilder hat ein Reporter des deutschen Senders RTL mit versteckter Kamera aufgenommen, am Sitz der Sekte «Zwölf Stämme» auf Gut Klosterzimmern bei Nördlingen (D). Von dem Leid, das die religiösen Fanatiker ihren Kindern zufügen, berichten auch Aussteiger: «Geschlagen wurden wir mit Weidenruten. Teilweise ging es so weit, dass wir blaue und grüne Striemen hatten.»

Am 5. September reagiert die deutsche Staatsanwaltschaft: Sie nimmt den Prügel-Eltern 40 Kinder weg und bringt sie zu Pflegefamilien oder in Heime. Die Behörden ermitteln wegen gefährlicher Körperverletzung und Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Ausgerechnet für die Mitglieder dieser Kinderquäl-Sekte setzt sich ein Schweizer ein!

A. R. (46)* aus Rafz ZH, selbst Vater von vier Söhnen, verteidigte die umstrittene Sekte – und die Schläge im Namen Gottes. Auf einer Mahnwache für die Kinder der «Zwölf Stämme» in Nördlingen rief er: «Ein Kind hat ein Recht auf eine liebevolle Züchtigung!» Wer sein Kind liebt, der züchtigt es in Massen!» Die Polizei musste einschreiten.

Georg Schmid, Sektenexperte aus Rüti ZH, warnt: «Die Zwölf Stämme sind eine autoritäre Sekte.» Sie verlange radikale Unterordnung. «Besonders problematisch ist die Praxis, den Kindern der Gemeinschaft diese radikale Unterordnung mittels Züchtigung einbläuen zu wollen.» 

Den Wirtschaftsinformatiker R.  der auch schon für den Bund arbeitete und heute selbständiger Unternehmensberater ist, stört dies offenbar nicht. Er richtete mit der Sekte eine Homepage ein und veröffentlichte Briefe der Familien an die deutschen Richter. Zudem stellte er Gerichtsprotokolle aus nichtöffentlichen Verhandlungen online. Ob er sich damit strafbar gemacht hat, prüft derzeit die Staatsanwaltschaft in Augsburg, wie der zuständige Oberstaatsanwalt SonntagsBlick bestätigt.

Nicht nur im Internet bietet R. den Sekten-Mitgliedern Hand: Offenbar beherbergte er eine Familie der Zwölf Stämme bei sich in Rafz. Ein Transporter, zugelassen auf eine der Firmen der Sekte, parkte für längere Zeit vor seinem Haus.

Der Sekten-Sympathisant steht zu seinem Engagement. Er habe sich den letzten Monat nur um die Angelegenheiten der Zwölf Stämme gekümmert, sagt er. Drei Familien der Gemeinschaft hätten Deutschland fluchtartig verlassen – und trauten sich nun nicht, wieder einzureisen. Ob er sie bei sich versteckt? «Ich sage nicht, wo sie sind», sagt R. dazu nur. «Ich bin ja kein Verräter.»

Ihm gehe es nur um die Kinder. «Denen geht es jetzt, da sie von ihren Eltern getrennt sind, schlechter als zuvor.» Die  Züchtigungen spielt er herunter.

Er will  so lange weiterkämpfen, «bis die Kinder wieder bei ihren Eltern sind». Und kündigt an: Wenn der Rechtsstreit ausgestanden sei, könne es gut sein, «dass sich die Zwölf Stämme in der Schweiz niederlassen».

*Name der Redaktion bekannt

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Prügel auch in Schweizer Sekten

In christlich-fundamentalistischen Kreisen ist die körperliche Züchtigung von Kindern weit verbreitet. «Wir haben zwei bis drei Fälle pro Woche, bei denen es um Anfragen bezüglich Züchtigung von Kindern geht», sagt Sekten-Experte Georg Schmid aus Rüti ZH. Mindestens zwei Gruppierungen aus der Schweiz empfehlen Prügel als Erziehungsmethode: Die evangelikale Gemeinschaft Adullam und die «Organische Christus-Generation» um den Zürcher Ivo Sasek. «Diese Gruppen orientieren sich vor allem am Buch der Sprüche im Alten Testament», sagt Regina Spiess von der Fachstelle Infosekta. «Wenn ihre Kinder drohen, vom rechten Weg abzukommen, müssen sie gezüchtigt werden.» Die Anhänger sind überzeugt: Nur wenn das Kind den Eltern gegenüber gehorsam ist, wird es auch Gott gehorchen und erlöst werden. Spiess: «Züchtigung wird als notwendige Massnahme verstanden, um das Kind auf den richtigen Weg zurückzubringen.»

In christlich-fundamentalistischen Kreisen ist die körperliche Züchtigung von Kindern weit verbreitet. «Wir haben zwei bis drei Fälle pro Woche, bei denen es um Anfragen bezüglich Züchtigung von Kindern geht», sagt Sekten-Experte Georg Schmid aus Rüti ZH. Mindestens zwei Gruppierungen aus der Schweiz empfehlen Prügel als Erziehungsmethode: Die evangelikale Gemeinschaft Adullam und die «Organische Christus-Generation» um den Zürcher Ivo Sasek. «Diese Gruppen orientieren sich vor allem am Buch der Sprüche im Alten Testament», sagt Regina Spiess von der Fachstelle Infosekta. «Wenn ihre Kinder drohen, vom rechten Weg abzukommen, müssen sie gezüchtigt werden.» Die Anhänger sind überzeugt: Nur wenn das Kind den Eltern gegenüber gehorsam ist, wird es auch Gott gehorchen und erlöst werden. Spiess: «Züchtigung wird als notwendige Massnahme verstanden, um das Kind auf den richtigen Weg zurückzubringen.»

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