Heidi ist nicht auf jeder Schweizer Alp erwünscht. Auch wenn die meisten der rund 80 Camper auf der Molseralp in Flumserberg SG als Kinder den Roman von Johanna Spyri verschlungen haben: Heute wollen sie von der Titel-Figur nichts wissen. Denn wenn Heidi nach Flumserberg kommt, oder besser ihre Erlebniswelt, dann müssen die Camper gehen. Denn genau auf ihrem Winter-Campingplatz soll das neue Heidi-Disneyland entstehen.
«Das wissen wir erst seit einigen Wochen,» sagt Denise Schwendimann (52), «noch zwei Winter dürfen wir bleiben. Dann müssen wir die Zelte für immer abbrechen». Ein Schiessdreck sei dies, fügt Ehemann Beat (54) sauer hinzu, «über elf Jahre haben wir unseren festen Platz im Camping. Es gibt Leute, die sind 40 Jahre hier.«
Denise Schwendimann versteht das geplante 100 Mio. Franken Projekt nicht, das in Tannenboden SG in den kommenden Jahren entstehen soll: «Nur 20 Kilometer weiter, in Maienfeld GR, haben wir doch das Heididorf.»
Die Fahrschulbesitzer aus Regensburg ZH ziehen die Konsequenz. «Wir werden das Campen an den Nagel hängen und unseren Wohnwagen verkaufen«, sagt Denise Schwendimann.
Auch René Rathgeb (50) flucht. Er hat seine zwei Wohnwagen schon 20 Jahre auf 1400 Metern Höhe über dem Walensee. Gleich in der vordersten Reihe des Winter-Campings. Mit Super-Blick. Das habe ihn Einiges gekostet, sagt der Leiter Betriebstechnik aus Volkertswil ZH, «wir kommen auf 10 000 Franken Campingkosten im Jahr. Da verdient doch jeder dran. Allein der Strom kostet uns viermal so viel wie im Ort.» Er schaue sich nun in Frankreich oder Österreich nach einer Alternative um. «Mit Heidi verliert das Flumserberg-Gebiet Dauergäste und gewinnt nur Tagestourismus. Ob das rentiert?», fragt der Zürcher.
Hans (65) und Edith Lutziger (64) aus Mels SG sind zwar keine Camper, haben aber eine Ferienwohnung in Tannenboden. «Generell finde ich es gut, neue Projekte anzubieten. Mit Heidi aber bin ich skeptisch«, sagt der pensionierte Polizist. Auch Ehefrau Edith (64) hat da ihre Zweifel: «Wir wandern hier viel mit unseren Enkeln. Bald wird es hier so viel Rummel geben, dann ist es mit der Bergidylle vorbei.» Und, so Hans Lutziger, «uns tun die Leute vom Camping leid.»
Ein wenig Verständnis für die Visionen im Sankt Gallener Ski- und Wandergebiet habe er schon, sagt Christian Lenski (48). Doch dass der Thurgauer mit seinen zwei Kinder (8 und 10) jetzt einen neuen Campingplatz suchen muss, das ärgert ihn. «Wir sind erst vor einem Jahr gekommen. Drei Jahre hatten wir gebraucht, um diesen schönen Platz zu finden. Jetzt müssen wir nun schon wieder weg. Sehr schade.«
Bei Heinrich Michel (60) ist Heidi hochwillkommen. Er ist der CEO der Bergbahnen AG, auch Betreiber des Campingplatzes. Michel sieht einer rosigen Zukunft entgegen. «Es wird eine neue Talstation geben mit grosser Gondelbahn, Garagierungshalle und Tiefgarage für 400 Parkplätze», sagt der Bergbahnen-Chef, «die 25 Mio. Franken dafür treiben wir auf. Es läuft zudem ein Investoren-Wettbewerb für zwei Hotels in Flumserberg. Dann werden Nägel mit Köpfen gemacht. Heidi wird vor allem im Sommer greifen.«
Für die traurigen Camper findet Heinrich Michel dann doch noch tröstende Worte: «Der Berg ist gross. Wir finden sicher einen neuen Platz für einen Winter-Camping im Flumserberg.»