Es sind menschliche Dramen und tierische Tragödien: Innerhalb einer Woche sterben in Deutschland drei Menschen durch Hundebisse. In Hannover fällt Staffordshire-Mischling Chico (8) am letzten Dienstag über sein Frauchen (†52) und deren Sohn (†27) her.
Die Tochter der Getöteten findet in der Wohnung nur noch die leblosen Körper und den verstörten Hund vor. Alarmsignale von erhöhter Aggressivität dürften ignoriert worden sein.
Am Dienstag folgt die nächste Schockmeldung: Ein Baby (†7 Monate) in Hessen stirbt nach Bissen in den Kopf. Auch hier soll ein Staffordshire der Täter gewesen sein. Der erste Befund aus dem Tierheim: «Dieser Hund ist aggressiv!»
Deutschland diskutiert Verschärfungen
Während in Deutschland diese Vorfälle eine Debatte über sogenannte «Kampfhunde» entfachen, wurden in der Schweiz die Gesetze längst wieder gelockert.
Rückblende: Am 1. Dezember 2005 wird in Oberglatt ZH der kleine Süleyman (†6) von drei unbeaufsichtigten Pitbull-Terriern regelrecht zerfetzt. Es ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Denn schon zuvor kommt es regelmässig zu Biss-Dramen.
Drama um den kleinen Urs
Ein Beispiel: Im Jahr 2000 wird in Uttwil TG der kleine Urs (damals 4) angefallen. Rottweiler Rambo (†5) fügt ihm schwere Gesichtsverletzungen zu, beisst dem Buben gar das Genick durch! Bis dato hüllt seine Mutter den Mantel des Schweigens über den Vorfall.
Zum Schutz von Urs, wie sie gestern gegenüber BLICK sagt. Ihr Standpunkt: «Hunde durchleben so etwas wie eine Pubertät. Wird die Erziehung in dieser Zeit verpasst, ist es wohl einfach zu spät!»
Erst Süleyman änderte alles
Wohl weil der Bub überlebt, ist es erst der Fall Süleyman, der alles ändert: Mehrere Kantone
führen Rassenverbote, Leinenzwang oder Maulkorbpflicht ein. BLICK sammelt 175'000 Unterschriften für eine Petition zum Verbot von Kampfhunden.
2006 führt der Bund eine Meldepflicht für Angriffe ein. Dieser folgt ein obligatorischer Halterkurs für alle Hundekäufer. Bloss: Auf letztes Jahr hat das Parlament die Pflicht wieder abgeschafft.
Die quälende Frage: Wird so weiteren Biss-Dramen Tür und Tor geöffnet? Tierschützerin Edith Zellweger (64) rückt den Faktor Mensch in den Vordergrund: «Es ist alles eine Frage der Haltung.» Ihr Paradebeispiel ist Paco (11), ein American-Staffordshire-Rüde.
Paco wurde von der «Bestie» zum braven Hund
Als er zu Zellweger kommt, wird er als «Zeitbombe auf vier Beinen» und «gefährlichster» Hund von Rorschach SG bezeichnet. «Er galt als aggressiv gegenüber anderen Hunden und sollte eingeschläfert werden.»
Ihr Rezept: Sozialisierung mit anderen Hunden, klare Spielregeln, viel Zeit und Geduld. Heute wirkt Paco zahm und lieb. «Wenn ich über die Fälle in Deutschland nachdenke, werde ich wütend auf die Behörden. Sie stehen in der Verantwortung, einzuschreiten, bevor etwas passiert!» Das geschehe auch hierzulande noch viel zu selten.
Zu oft würden Hinweise von Tierschützern ignoriert. «Viele Halter haben keine Ahnung, wie man einen Hund artgerecht hält. Deshalb braucht es Behörden, die intervenieren und konsequent Halteverbote aussprechen», fordert Zellweger. Einfach den Hund zu töten, könne keine Lösung sein.
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