22 Kantone ignorieren Insektizid-Verbot
Waldspaziergang? Vergiftungsgefahr!

Eine Fachzeitschrift fand heraus: Nicht nur auf Feldern, auch im Wald werden Umweltgifte versprüht.
Publiziert: 06.04.2019 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2019 um 10:43 Uhr
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Wer im Wald spazieren geht, erwartet frische Luft und Ruhe.
Foto: Keystone
Dana Liechti

Es geht um beinahe unvorstellbare Mengen: 2200 Tonnen Pestizide werden jährlich in der Schweiz versprüht, wie Zahlen des Bundesamts für Landwirtschaft zeigen. Die Folgen: Besonders in der Nähe landwirtschaftlicher Flächen sind Gewässer zum Teil so stark belastet, dass akute Vergiftungsgefahr für Pflanzen und Lebewesen besteht. Das beweisen neue Studien der Wasserforschungsanstalt Eawag und des Oekotoxzentrums.

Und nun zeigt ein Artikel des von den Schweizer Ärzten für Umweltschutz (Aefu) herausgegebenen Fachmagazins «Oekoskop»: Auch im Wald wird gespritzt, was das Zeug hält. Hochrechnungen aufgrund einer Umfrage bei kantonalen Waldbehörden ergaben: 2018 wurden in Schweizer Wäldern rund 700 Kilo hochtoxischer Insektizide auf gefällte Bäume gespritzt, um sie vor einem Befall durch Borkenkäfer zu schützen.

Darunter Cypermethrin und Chlorpyrifos, deren Wirkstoffe für Menschen hochgiftig sind, wie ­Aefu-Geschäftsleiter Martin Forter sagt. Manche der Insektizide stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen und bei Kleinkindern Entwicklungsstörungen bis hin zu Hirnschäden auszulösen. «Solche Gifte gehören nicht in den Wald», sagt Forter, «schliesslich klettern dort Kinder auf den Baumstämmen herum und Familien machen Picknicks darauf.»

22 der 25 kantonalen Forstämter bewilligten explizit verbotene Mitteln

Generell wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald vom Gesetz nicht erlaubt. Dennoch bewilligten 22 der 25 kantonalen Forstämter teilweise sogar denjenigen von explizit verbotenen Mitteln. Für Insektengifte gebe es eine Ausnahmebewilligung, verteidigten sie sich gegenüber «Oekoskop». Bei den verbotenen Sub­stanzen habe man nicht realisiert, dass die Aufbrauchfrist bereits abgelaufen sei.
Zuständig für die Kontrolle seien zwar die Kantone, schreibt das Bundesamt für Umwelt auf Anfrage. Aber auch: «Es ist wichtig, dass weniger Mittel eingesetzt werden.» Diese seien aber manchmal nötig, um etwa nach Stürmen mit enormen Baumschäden einen Borkenkäferbefall zu verhindern. Die Kantone begründen ihren Pestizideinsatz in «Oekoskop» zudem damit, er steigere die Konkurrenzfähigkeit ihrer Holzwirtschaft.
Stossend: Auch das Label des Forest Stewardship Council (FSC), vergeben für nachhaltig erwirtschaftetes Holz, toleriert bisher den Einsatz von Cypermethrin. In der Schweiz gebe es eine Ausnahmebewilligung, weil sonst ein Ausstieg der Waldbesitzer aus dem FSC zu befürchten sei. Die Bewilligung laufe wohl im Sommer aus, wie «Oekoskop» den FSC zitiert.

Dabei ginge es auch ohne Insektizide: Im Kanton Glarus wird das Holz schnellstmöglich aus dem Wald geschafft, bevor es von Borkenkäfern befallen werden kann. Das macht Pestizide überflüssig. Die Taktik habe auch letztes Jahr gut geklappt – trotz grosser Schäden durch den Sturm Burglind, sagte Maurus Frei, Leiter der Glarner Fachstelle Wald, zu «Oeko­skop». Zudem sei der Abtransport wirtschaftlich sinnvoller als eine längere Lagerung und Insektizidbehandlung. Das Beispiel zeigt: Eine Zukunft ohne Pestizide wäre möglich.

Sensibilisierung der Bevölkerung wächst

Inzwischen wächst der Druck der Bevölkerung, in Sachen Umweltschutz zu handeln. Und zeigt Wirkung: In Bayern etwa unterschrieben 1,7 Millionen Menschen ein Volksbegehren für eine Umkehr der Landwirtschaft. Eine der Forderungen: Pestizide auf staatlichem Grund verbieten! Es ist das erfolgreichste Volksbegehren aller Zeiten – die Regierung will es nun unverändert in den Landtag einbringen.

Auch in der Schweiz sei die Sensibilisierung in der Bevölkerung gross, sagt Nationalrätin und Grünen-Präsidentin Regula Rytz: «Die Menschen akzeptieren nicht mehr, dass Pflanzen und Tiere vergiftet werden.» Es müsse ­etwas passieren.
«Was Bayern kann, kann die Schweiz auch», so Rytz.

In zwei Wochen berät die Kommission für Wirtschaft und Abgaben über zwei Initiativen zum Einsatz von Mitteln zur Schädlingsbekämpfung. Eine der beiden fordert, dass Bauern nur noch dann Subventionen erhalten, wenn sie keine Pestizide einsetzen. Die andere verlangt ein Totalverbot. Grünen-Nationalrätin Regula Rytz schätzt die Chancen der Initiativen als hoch ein. «Doch ein guter Gegenvorschlag führt rascher zum Ziel. Wir arbeiten mit Fachleuten an einer konkreten Lösung.» Besonders schäd­liche Pestizide sollten ­sofort verboten werden; für alle anderen brauche es ­Lenkungsabgaben.

Initiativen gegen Pestizide

In zwei Wochen berät die Kommission für Wirtschaft und Abgaben über zwei Initiativen zum Einsatz von Mitteln zur Schädlingsbekämpfung: Eine der beiden fordert, dass Bauern nur noch dann Subventionen erhalten, wenn sie keine Pestizide einsetzen. Die andere verlangt ein Totalverbot. Grünen-Nationalrätin Regula Rytz schätzt die Chancen der Initiativen als hoch ein. «Doch ein guter Gegenvorschlag führt rascher zum Ziel. Wir arbeiten mit Fachleuten an einer konkreten Lösung.» Besonders schädliche Pestizide sollten sofort verboten werden; für alle anderen brauche es Lenkungsabgaben.

In zwei Wochen berät die Kommission für Wirtschaft und Abgaben über zwei Initiativen zum Einsatz von Mitteln zur Schädlingsbekämpfung: Eine der beiden fordert, dass Bauern nur noch dann Subventionen erhalten, wenn sie keine Pestizide einsetzen. Die andere verlangt ein Totalverbot. Grünen-Nationalrätin Regula Rytz schätzt die Chancen der Initiativen als hoch ein. «Doch ein guter Gegenvorschlag führt rascher zum Ziel. Wir arbeiten mit Fachleuten an einer konkreten Lösung.» Besonders schädliche Pestizide sollten sofort verboten werden; für alle anderen brauche es Lenkungsabgaben.

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