2015 bekam der Geheimdienst 9000 Meldungen und lieferte 4500 ans Ausland
Nehmen ist seliger denn Geben

Der Informationsaustausch des Nachrichtendienstes mit seinen ausländischen Partnern war lange ein gut gehütetes Geheimnis. Dank BLICK muss der NDB nun mehr Transparenz schaffen und Zahlen nennen.
Publiziert: 09.07.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 21:00 Uhr
Nach einem langen juristischen Seilziehen mit BLICK muss der NDB jetzt die entsprechenden Zahlen liefern.
Foto: Illustration: Igor Kravarik
Ruedi Studer

Informationen! In der obskuren Welt der Spione sind sie das höchste Gut. Wie an einer Tauschbörse wird damit gehandelt – da mischelt auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) mit. «Das Nachrichtendienstgeschäft ist ein Geben und Nehmen. Wir haben heute auch etwas zu geben», erklärte NDB-Chef Markus Seiler jüngst an der Auftakt-Pressekonferenz zum neuen Nachrichtendienstgesetz, das am 25. September vors Volk kommt.

Allerdings: In welchem Umfang Informationen ausgetauscht werden, dazu schwieg der NDB bisher beharrlich. Nach einem langen juristischen Seilziehen mit BLICK (siehe Box) muss der NDB jetzt die entsprechenden Zahlen liefern. «Der NDB erhielt im Jahr 2015 rund 9000 Meldungen von ausländischen Partnerdiensten. An ausländische Partnerdienste gingen seitens NDB rund 4500 Meldungen», sagt NDB-Sprecherin Isabelle Graber.

«Technisch bedingt»

Wie gross der Datenaustausch in den vorangegangenen Jahren war, sagt der NDB nicht. «Technisch bedingt» könnten diese Zahlen nicht mehr eruiert werden, lautet die Erklärung. 

Klar ist: Der 2010 aus Inland- und Auslandnachrichtendienst fusionierte NDB arbeitete in den Jahren 2010 bis 2016 «mit jeweils über 100 ausländischen Diensten» zusammen.

Letztmals hatte 2008 der damalige Inlandnachrichtendienst DAP Zahlen zum Informationsaustausch veröffentlicht. Auf elektronischem Weg gingen damals rund 8200 Meldungen ein, etwa 10'900 Meldungen wurden geliefert – wobei damals «mehr als 110 Kontakte» zu ausländischen Partnerdiensten bestanden. Im Gegensatz zum DAP machte der frühere Auslandnachrichtendienst SND keine Zahlen publik. Der aus DAP und SND hervorgegangene NDB will die Entwicklung nicht kommentieren. Die höhere Anzahl ausländischer Meldungen dürfte aber mit der durch internationalen Terror erhöhten Gefahrenlage zusammenhängen.

Erklärungsbedürftig bleibt hingegen der deutliche Rückgang ausgehender Meldungen. Da sich der NDB dazu nicht äussern will, bleibt die Sache nebulös. Es scheint klar, dass es dem Geheimdienst ganz und gar nicht passt, dass er weniger zu liefern hat.

So warnte NDB-Chef Seiler mit Blick auf ein allfälliges Nein zum neuen Nachrichtendienstgesetz: «Wenn wir weniger geben könnten, dann ist einfach die Gefahr da, dass wir zunehmend instrumentalisiert werden.» Dann bestehe die Gefahr, dass man nur noch Informationen «mit einem Hintergedanken» kriegt. «Und wenn wir das nicht wollen, brauchen wir ein gewisses eigenes Aufkommen und eigene Fähigkeiten», führte Seiler aus.

Die Frage stellt sich: Kämpft der NDB für neue Mittel, um mehr Informationen zu beschaffen und damit seinen Marktwert auf der geheimdienstlichen Tauschbörse zu erhöhen?

«Entscheidend ist nicht die Anzahl»

Auch dazu liefert der NDB keine konkrete Antwort. NDB-Sprecherin Graber: «Entscheidend ist nicht die Anzahl der ein- und ausgehenden Meldungen, sondern deren Inhalt.» Mit dem neuen Gesetz könne sich der NDB zudem an internationalen Datenbanken beteiligen. Zum Beispiel an der geplanten europäischen Terrorverdächtigen-Datenbank. «In diesem Fall dürfte der Informationsaustausch mit den Partnerdiensten sicher nicht zunehmen, sondern tendenziell wohl eher abnehmen», erklärt Graber. Denn: «Wir und auch die anderen Nachrichtendienste könnten dann direkt in der Datenbank abklären, ob bei anderen Nachrichtendiensten Informationen vorhanden sind, und somit gezielter Anfragen stellen.»

Das meint BLICK: Willkür schadet

Als Nachrichtendienstchef Markus Seiler sein Amt antrat, versprach er mehr Transparenz. Von diesem Versprechen ist nicht viel übrig

geblieben. Mit Klauen und Zähnen kämpft der NDB da­gegen, dass mehr Licht in die Dunkelkammer der Staatsschnüffler dringt.

Harmlose Statistiken, die der frühere Inlandnachrichtendienst DAP noch veröffentlicht hat, werden plötzlich zur staatsgefährdenden Geheim­sache emporstilisiert. Selbst nackte Zahlen bärgen Gefährdungspotenzial, doziert der NDB – und veröffentlicht

in schöner Regelmässigkeit Zahlen über Dschihadreisende.

Eine inkonsistente, willkürliche Informationspolitik. Ge­rade mit Blick auf das neue Nachrichtendienstgesetz muss sich der NDB öffnen. Denn Transparenz schafft Vertrauen. Eines ist sicher: BLICK schaut weiter genau hin!

BLICK-Journalist Ruedi Studer vor dem Bundesgericht in Lausanne.
BLICK-Journalist Ruedi Studer vor dem Bundesgericht in Lausanne.
Jean-Guy Python

Als Nachrichtendienstchef Markus Seiler sein Amt antrat, versprach er mehr Transparenz. Von diesem Versprechen ist nicht viel übrig

geblieben. Mit Klauen und Zähnen kämpft der NDB da­gegen, dass mehr Licht in die Dunkelkammer der Staatsschnüffler dringt.

Harmlose Statistiken, die der frühere Inlandnachrichtendienst DAP noch veröffentlicht hat, werden plötzlich zur staatsgefährdenden Geheim­sache emporstilisiert. Selbst nackte Zahlen bärgen Gefährdungspotenzial, doziert der NDB – und veröffentlicht

in schöner Regelmässigkeit Zahlen über Dschihadreisende.

Eine inkonsistente, willkürliche Informationspolitik. Ge­rade mit Blick auf das neue Nachrichtendienstgesetz muss sich der NDB öffnen. Denn Transparenz schafft Vertrauen. Eines ist sicher: BLICK schaut weiter genau hin!

Mehr Transparenz dank BLICK

Bern – Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) muss mehr Transparenz schaffen – dank BLICK! Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz verlangte BLICK 2012 Angaben zur Tätigkeit des NDB.

BLICK kämpfte bis vor Bundesgericht und erhielt im Mai teilweise recht: Das Gericht wies den NDB an, die Grössenordnung des Informationsaustauschs mit ausländischen Partnerdiensten bekannt zu geben.

Schon letztes Jahr zwang das Bundesverwaltungsgericht den NDB zu mehr Transparenz. Damit wurde bekannt, welchen Anteil die einzelnen Kantone von den insgesamt 10,4 Millionen Franken an Staatsschutzbeiträgen erhalten. Ebenfalls muss der NDB seither sein Stellenbudget nennen. Im Jahr 2015 beschäftigte der Dienst durchschnittlich 281 Personenm, verteilt auf 264,2 Vollzeitstellen.

Bern – Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) muss mehr Transparenz schaffen – dank BLICK! Gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz verlangte BLICK 2012 Angaben zur Tätigkeit des NDB.

BLICK kämpfte bis vor Bundesgericht und erhielt im Mai teilweise recht: Das Gericht wies den NDB an, die Grössenordnung des Informationsaustauschs mit ausländischen Partnerdiensten bekannt zu geben.

Schon letztes Jahr zwang das Bundesverwaltungsgericht den NDB zu mehr Transparenz. Damit wurde bekannt, welchen Anteil die einzelnen Kantone von den insgesamt 10,4 Millionen Franken an Staatsschutzbeiträgen erhalten. Ebenfalls muss der NDB seither sein Stellenbudget nennen. Im Jahr 2015 beschäftigte der Dienst durchschnittlich 281 Personenm, verteilt auf 264,2 Vollzeitstellen.

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