Die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge und Raketen steht bei Verteidigungsministerin Viola Amherd (56) an erster Stelle. Wie sie gestern in Bern vor den Medien verriet, war das Dossier über die neue Luftverteidigung der Schweiz das allererste, das sie bei Amtsantritt gelesen hat.
Ganz sicher ist sie jetzt auch, dass dieses Dossier aus den Händen ihres Vorgängers Guy Parmelin (59) «im Grundsatz gut unterwegs ist». Dies, nachdem die CVP-Bundesrätin nun von zwei Experten, die nicht ihrem Verteidigungsdepartement (VBS) angehören, Zweitmeinungen erhalten hat: von Astronaut Claude Nicollier (74) und dem früheren Direktor der Eidgenössischen Finanzkontrolle, Kurt Grüter. Zudem hatte sie von der VBS-Sicherheitschefin Pälvi Pulli (48) den Bericht über die Bedrohungslage aufdatieren lassen.
Nicollier stellt auch politische Forderungen
Grüters Bericht beurteilt, ob die Schweiz beim Kampfjet-Kauf von den Herstellern Gegengeschäfte für die inländische Industrie einfordern soll und wie gross der Anteil dieser Offset-Leistungen an der Gesamtsumme idealerweise ist. Grüter rät Amherd dabei zur Zurückhaltung – aber sehr diplomatisch: Ob sich Offset-Geschäfte lohnten, lasse sich nicht nach objektiven Kriterien beurteilen. «Letztlich ist es eine politische Frage», so der frühere Spitzenbeamte.
Schwerelos mischt sich hingegen Nicollier in die Politik ein: Er empfiehlt der VBS-Chefin, dem Bundesrat eine Referendumsabstimmung nur über die Kampfjets vorzulegen. Sie soll Parmelins ganzes Luftverteidigungspaket, in dem auch die bodengestützten Raketensysteme enthalten sind, wieder aufschnüren. Zudem müsse der Urnengang unbedingt vor dem Typenentscheid stattfinden, fordert Nicollier.
Nicolliers Vorschlag sprengt den bisherigen Kostenrahmen
Der erste Schweizer im Weltraum hat allerdings auch keine Angst vor astronomischen Summen: Nicollier empfiehlt, neben Langstreckenraketen rund 40 moderne Kampfflugzeuge zu kaufen – und nicht bloss die 30 schnell alternden F/A-18-Jets zu ersetzen. Gemäss dem Expertenbericht «Luftverteidigung der Zukunft», den Nicollier für Amherd geprüft hat und den er für «exzellent» hält, würde diese «Option 2» jedoch rund neun Milliarden Franken kosten. Acht Milliarden für Jets und eine Milliarde für die bodengestützte Luftverteidigung.
Nicollier weiss natürlich, dass er mit seiner Forderung den vom Bundesrat festgesetzten Finanzrahmen von acht Milliarden Franken für Jets und Raketen sprengt. Bundesrätin Amherd nahm Nicolliers Vorschlag neutral entgegen: «Ich kann heute noch nicht sagen, ob wir diese Anregungen integral, teilweise oder gar nicht übernehmen.» Für das Budget sei der Gesamtbundesrat zuständig. «Persönlich», und da war Amherd direkt, «finde ich aber acht Milliarden Franken schon sehr viel Geld.»