Darum gehts
- Franziska Biner: Überraschende Wahl in den Walliser Staatsrat
- Wurzeln in Zermatt, Architektin und erfahrene Lokalpolitikerin
- Zweite Frau in 200-jähriger Kantonsgeschichte, 10'000 Stimmen Vorsprung
Ein Reporter des Westschweizer Fernsehens RTS nennt sie Anfang März live im TV die «Sensation der Schweiz». Franziska Biner lacht darüber. «In diesem Moment dachte ich nur: Was, ich? Ich bin doch einfach nur die Franziska aus Zermatt.»
Und doch hat der Journalist recht! Die 38-Jährige wird in den Staatsrat des Kantons Wallis gewählt, mit 10'000 Stimmen Vorsprung zum zweitplatzierten und national bekannten Christophe Darbellay (54). Als einzige Kandidatin erreicht Biner das absolute Mehr. In der 200-jährigen Geschichte des Kantons ist sie erst die zweite Frau in der Walliser Regierung. Mit ihrer Wahl gibt es keine rein männlich regierten Kantone in der Schweiz mehr.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Trotzdem: Franziska Biner bleibt auf dem Boden. Oder besser gesagt: Sie setzt sich auf den Boden – um zu Hause in der Stube ein Liedchen auf der Handorgel zu spielen. Ihr 13-monatiger Neffe Emil krabbelt zu ihr und hört zu – ohne zu ahnen, dass die Tante jetzt im ganzen Land bekannt ist.
Daheim am Berg
Franziska Biner ist in Zermatt aufgewachsen, lebt noch immer im Elternhaus im Quartier Winkelmatten oberhalb des Dorfs. Ein kleines Studio gehört ihr, in den Stockwerken darüber wohnen einer ihrer drei Brüder mit seiner Familie und die Eltern Yolanda und Fredy Biner.
Die Mutter arbeitet als Hüttenwartin und im Bergführer- und Skilehrerbüro, der Vater war Elektriker und Bergführer – rund 200-mal hat er das Matterhorn bestiegen. Von ihrem Vater hat Franziska die Liebe zu den Bergen mitbekommen. Skitouren, klettern, bergsteigen – Hauptsache, in die Höhe. Fredy Biner erzählt: «Früher ging ich oft mit meinen Kindern ‹z Bärg›. Heute bin ich zu langsam geworden.» Stolz sagt er: «Dass Franziska gute Chancen hat, wusste ich, weil viele im Dorf mir gesagt haben, dass sie meine Tochter wählen. Aber mit diesem Resultat hat niemand gerechnet.»
Wie erklären sich die Biners das Spitzenergebnis? Es sei sicher nicht nur der Frauenbonus gewesen – da sind sich Vater und Tochter einig. «In den Bergtälern haben mich viele Leute gewählt, weil sie sich vertreten fühlen wollen», sagt sie und blickt von der Terrasse auf das Horu, wie die Einheimischen das Matterhorn nennen. Ihre Wurzeln liegen tief im Walliser Granit. Während des Architekturstudiums in Zürich arbeitete Franziska Biner in den Semesterferien immer in Zermatt als Skilehrerin. Und viele ihrer besten Freundinnen, die sie seit dem Kindergarten kennt, wohnen immer noch hier. «Ich liebe dieses Eingebundensein. Dass ich immer zum Zmittag nach Hause zu meinen Eltern gehen kann, ist fantastisch.» Nach dem Studium kam sie wegen eines Bänderrisses für zwei Monate nach Hause. Der Chef eines Architekturbüros aus Zermatt besuchte sie im Spital und überzeugte sie, bei ihm anzufangen.
Standhaft wie die Felsen
«Ich liebe die Arbeit auf dem Bau», sagt Franziska Biner. «Hier in Zermatt ist alles anspruchsvoller. Die Topografie, die Logistik, die Bedingungen. Das reizt mich.»
Vor Weihnachten baute sie einen Pool in einem Hotelneubau. Beim Befüllen lief Wasser aus. «Ein Bauarbeiter meinte: ‹Franziska, dich bringt wirklich nichts aus der Ruhe.› Diese Gelassenheit habe ich in den Bergen gelernt.» Auf Skitouren braucht man einen kühlen Kopf. «Das hat mir sicher auch bei meinen Ämtern geholfen.» Seit sie zurück in der Heimat ist, amtete sie neben ihrem 100-Prozent-Job als Grossrätin und als Vize-Gemeindepräsidentin von Zermatt. Als Parteipräsidentin der Mitte Oberwallis arbeitete sie bei der Bundesratskandidatur von Viola Amherd im Hintergrund. «Damals war ich noch ein Neuling – eine strenge, aber spannende Zeit», sagt sie.
Den Rücktritt der Verteidigungsministerin bedauert sie: «Ich bewundere Viola. Sie war immer eine stille Schafferin. Ich finde es schön, dass man auch ohne Krach bis in den Bundesrat kommen kann.» Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Viola Amherd sagt über Franziska Biner: «Sie hat es in den letzten Jahren geschafft, sich mit Fachkompetenz und politischem Gespür einen Namen zu machen. Gleichzeitig ist sie sich selbst treu geblieben und hat ihre volksnahe und sympathische Art behalten – das schätze ich sehr an ihr.»
Biner gilt als eingemittet, weder als zu konservativ noch als zu progressiv, setzt sich etwa dafür ein, dass der Staat Krippenplätze stärker finanziert, und gibt neuen Stauseen gegenüber dem Naturschutz den Vorrang. Nun zieht Biner nach Sitten – zumindest für einige Tage in der Woche. «Aber immer wenns geht, komme ich heim.» Sie sucht sich ein Studio in Sitten. «Ich weiss noch nicht genau, was als Staatsrätin auf mich zukommt. Ausser dass alles auf Französisch sein wird», sagt sie. «Aber ich bin eine Schafferin. Ich mag es, mich reinzustürzen.» Wie bei einer neuen Bergtour. Steil, fordernd, anspruchsvoll – genau, was Franziska Biner mag.