Es ist eine äusserst umstrittene Vorlage, über die sich der Ständerat heute beugt. Um die Schweiz vor Terroranschlägen zu schützen, will der Bundesrat, dass die Polizei künftig auch präventiv Massnahmen gegen sogenannte Gefährder ergreifen kann. Also Personen, die noch nichts verbrochen haben – bei denen die Behörden aber befürchten, dass sie einen Terroranschlag durchführen könnten. So sollen in Zukunft zum Beispiel Gefährder in den Hausarrest gesteckt werden.
Gerade in diesem Bereich könnte der Ständerat die Schraube noch weiter anziehen. Die Sicherheitspolitiker in der Kleinen Kammer schlagen zwei Verschärfungen des Gesetzes vor, die es in sich haben. Einerseits soll es keine zeitliche Begrenzung für den Hausarrest mehr geben, wie das der Bundesrats-Vorschlag vorsieht.
Ausserdem will eine Mehrheit der Sicherheitspolitiker im Ständerat bei den Ausnahmen viel strenger sein. Gefährder sollen einzig und allein das Haus verlassen dürfen, wenn es aus medizinischen Gründen nicht anders geht. Ausnahmen beispielsweise für den Job, das Freitagsgebet in der Moschee oder um an der Beerdigung eines nahen Verwandten dabeizusein, sollen gestrichen werden.
Gesetz verstosse gegen die Menschenrechte
Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verschärfungspläne scharf. «Es ist irritierend, wie sorglos die Politik mit den Grundrechten umgeht», wird Patrick Walder von Amnesty International in einer Mitteilung zitiert. Amnesty gehört zu einem Verbund von über 80 schweizerischen Nichtregierungsorganisationen, die für menschenrechtskonforme Anti-Terror-Gesetze kämpfen.
Jemanden einzusperren – auch mit einer Fussfessel zu Hause – sei nicht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar, kritisiert Walder. Er verweist auf ein Rechtsgutachten, das im Auftrag der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren und des Justizdepartements erstellt worden ist. Es kommt zum Schluss, dass es nicht erlaubt ist, jemanden zu inhaftieren oder unter Hausarrest zu stellen, wenn von ihm keine ganz konkrete Gefahr ausgeht.
Die Menschenrechtsorganisationen prangern zudem an, dass es erlaubt sein soll, die meisten Massnahmen – ausser Hausarrest – schon gegen Kinder ab 12 Jahren zu verhängen. Eine Minderheit des Ständerats, nämlich die beiden Grünen Mathias Zopfi (36) und Céline Vara (35), wollen die Altersgrenze auf 18 heben.
Kritik an Bundesrat
Schon als der Bundesrat die Parteien, Kantone und Organisationen anhörte, musste er sich Kritik gefallen lassen. Viele sahen die Grundrechte in Gefahr, wenn künftig ohne Anklage die Freiheit von Personen eingeschränkt wird.
Auf eine Administrativhaft für Gefährder verzichtete Justizministerin Karin Keller-Sutter (56) schliesslich. Am Hausarrest hingegen hielt sie trotz Kritik fest.
Humanitäre Hilfe in Gefahr
Der Bundesrat will aber nicht nur präventive Massnahmen treffen, sondern auch die Strafen verschärfen. Unter anderem soll das Gesetz gegen Al Kaida, IS und andere Terrororganisationen unbefristet gelten. Derzeit ist es zeitlich befristet. Zudem soll künftig schon nur die blosse Beteiligung an einer Terrororganisation strafbar sein.
Auch das ist umstritten. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnt, dass darunter auch die humanitäre Hilfe in Kriegsgebieten fallen würde. Auch über diese Massnahmen entscheidet heute der Ständerat. Anschliessend muss noch der Nationalrat über die Gesetzesvorlagen befinden.