Die halbe Unabhängigkeitserklärung von Katalanen-Präsident Carles Puigdemont (54) am Dienstag sollte den Dialog mit der Zentralregierung in Madrid ermöglichen. Und gleichzeitig seine separatistische Anhängerschaft bei der Stange halten. Nun zeigt sich: Die Schmalspur-Staatsgründung hat wohl beide Ziele verfehlt.
Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy (62) setzte Separatisten-Chef Puigdemont gestern das Messer an den Hals. Erklärte zuerst spöttisch, er habe ihn bei seiner Rede nicht richtig vestanden. Man werde bei den Katalanen nachfragen, «damit sie klarstellen können, ob sie nun die Unabhängigkeit ausgerufen haben oder nicht». Das Ultimatum Rajoys: Innert fünf Tagen muss die Rede konkretisiert werden. Ansonsten droht die Zwangsverwaltung der Region. Damit macht Rajoy klar: Er bleibt hart.
Galgenhumor auf Barcelonas Strassen
Bei den Separatisten dominiert am Tag nach der Rede Galgenhumor. «Wir Katalanen haben einen Rekord aufgestellt», beginnt Zigarettenverkäufer Lluis (41) einen Witz, der auf Barcelonas Strassen kursiert. «Gerade mal acht Sekunden lang hatten wir einen unabhängigen Staat – das ist ein Rekord in der Geschichte der Menschheit!» Genau acht Sekunden lagen zwischen dem Ausrufen der Unabhängigkeit durch Katalanen-Präsident Carles Puigdemont (54) und deren Aussetzung. Gleich mehrere Bars werben mit dem Aushang: «Heute jedes Bier gratis!» Und fügen an: «Aber der Preis bleibt ausgesetzt, um zu verhandeln.»
Die letzte Karte der Separatisten im Poker um die Unabhängigkeit ist nun Druck von aussen. Dafür sind die Katalanen in der Schweiz besonders aktiv. Manuel Manonelles (42) ist der offizielle Vertreter der Katalanen in der Schweiz – eine Art Schattenbotschafter. Sein Job ist es, bei internationalen Organisationen für die katalanische Sache zu weibeln. «Wir glauben an den Dialog, das ist nicht nur ein Manöver», gibt sich Manonelles betont optimistisch.
«Sind schockiert über den Unwillen, einen Dialog zu führen»
Auf die gestrige Spottrede von Spaniens Präsident Rajoy angesprochen, wird der Diplomat undiplomatisch: «Wenn der Premierminister nicht verstanden hat, was Präsident Puigdemont gesagt hat, ist das seine Sache. Wir sind schockiert über diese Reaktion, diesen Unwillen, einen Dialog zu führen.» Und weiter: «Wenn er nicht mit uns sprechen will, dann vielleicht mit der EU. Mit internationalen Organisationen. Oder Kofi Annan.» Dass seine Leute unzufrieden sind, kann der Diplomat nachvollziehen: «Ich verstehe, dass es nicht schnell genug geht, aber es ist eine komplexe Welt.»
Wie es nun konkret weitergehen soll, kann auch er nicht sagen. «In einem Monat ...», beginnt er. Und korrigiert sich: «In ein paar Monaten sind wir in einer besseren Situation als jetzt.» Die Katalanen hoffen auf ein Wunder. Aber: Zum Verhandeln gehören nun mal zwei.