Zankapfel flankierende Massnahmen
Economiesuisse kritisiert Cassis

Kurz bevor der Bundesrat Klartext zum Rahmenabkommen redet, erhalten die Gewerkschaften Support von der Wirtschaft: Zum Schweizer Lohnschutz habe Brüssel nichts zu sagen.
Publiziert: 02.07.2018 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:26 Uhr
Ruedi Studer, Sermîn Faki

Am Mittwoch entscheidet der Bundesrat, wie es bei den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU weitergehen soll. Aussenminister Ignazio Cassis (57) will die flankierenden Massnahmen aufweichen. Doch damit hat er bei den Gewerkschaften in ein Wespennest gestochen. Kommt Cassis mit seinen Vorstellungen durch, droht ein linkes Referendum.

Wirklich glücklich ist auch die Wirtschaft nicht mit Cassis' Vorpreschen. Sie habe ein «gewisses Verständnis für die Verärgerung der Gewerkschaften», sagt Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl (54). «Der Bundesrat hat die flankierenden Massnahmen zu roten Linien erklärt», so Rühl. «Das heisst: Darüber wird mit der EU nicht diskutiert.» Nun stelle er das in Frage, was «Verwunderung oder eben Verärgerung hervorrufe».

Wir müssen reden

Wichtig sei jetzt aber, dass Cassis vom Bundesrat «grünes Licht bekomme», um weitere Gespräche mit Brüssel zu führen. «Die EU soll doch mal konkret sagen, was sie will», so Rühl. Gleichzeitig müssten sich in der Schweiz die Sozialpartner zusammensetzen, um auszuloten, ob man den Lohnschutz in der Schweiz auch mit anderen Möglichkeiten auf dem heutigen Niveau halten könne.

Hintergrund ist, dass der Dachverband der Schweizer Wirtschaft das Rahmenabkommen schnell unter Dach und Fach wissen will. Denn die bilateralen Verträge mit der EU sind matchentscheidend. Das sagen gemäss einer neuen Umfrage von GfS Bern die Schweizer Unternehmen.

Deutliche Mehrheit für EU-Rahmenabkommen

Rund 80 Prozent der 975 befragten Unternehmen befürworten ein Rahmenabkommen. 14 Prozent stellen sich dagegen. Eine komfortable Mehrheit. Die allerdings schmilzt wie ein Glace in der Sonne, wenn man die Gretchenfrage stellt: Soll das Rahmenabkommen auch eine gemeinsame Lösung für den Streitfall vorsehen? Dann sinkt die Zustimmung – bleibt aber mit einem Ja-Anteil von 60 Prozent noch immer hoch.

Andere Optionen finden keine Mehrheiten: Für einen Alleingang der Schweiz ohne Bilaterale sprechen sich nur gerade 10 Prozent der Firmen aus. Umgekehrt für einen EU-Beitritt ebenfalls nur 15 Prozent. Auf immerhin 44 Prozent Zustimmung kommt ein EWR-Beitritt.

Wirtschaft rüstet sich für Abstimmungskämpfe

Rühl kündigte an, dass sich Economiesuisse «vehement» für den bilateralen Weg einsetzen werde. Gelegenheit dazu hat der Dachverband genug:

  • Im November kommt die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP an die Urne. Mit dem «absoluten Vorrecht der Bundesverfassung vor dem Völkerrecht, also auch vor dem Wirtschaftsvölkerrecht», sind für Rühl die Konsequenzen bei einem Ja klar: «Hunderte von bestehenden Wirtschaftsverträgen zu Freihandel, Investitionsschutz, Doppelbesteuerung usw. stünden auf dem Spiel.» In der Umfrage sind denn auch 53 Prozent der Firmen bestimmt oder eher gegen die Initiative. 37 Prozent sind dafür. Der Rest ist unentschlossen.
     
  • Auch bei der neuen EU-Waffenrichtlinie stellt sich die Wirtschaft auf die Seite der Befürworter. 66 Prozent der Firmen sind für das verschärfte Waffenrecht, nur 30 Prozent dagegen. «Es ist aus unserer Sicht unverhältnismässig, wegen einer minimen Verschärfung das ganze Schengen-Abkommen aufs Spiel zu setzen», so Rühl. Machen die Schützenverbände ihre Drohung wahr und ergreifen das Referendum, wird wohl im Frühjahr 2019 darüber abgestimmt.
     
  • Auch die Kohäsionsmilliarde zugunsten der EU-Oststaaten wird von den Firmen unterstützt. 52 Prozent sind dafür, 41 Prozent dagegen, der Rest ist unentschieden. Im Moment steht der definitive Entscheid dazu in Bundesbern noch aus. Ebenso, ob die Kohäsionsmilliarde dereinst vors Volk kommt. Gegen ein entsprechendes Gesetz wurde nämlich kein Referendum ergriffen. So bleibt es dem Parlament überlassen, ob es den konkreten Kredit freiwillig dem Referendum unterstellt, wie das die SVP fordert.
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