In zwei Wochen entscheidet die Schweiz über die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen». Die Initianten verlangen, dass Bund und Kantone gemeinnützige Mietobjekte verstärkt fördern.
Die Unterlagen sind längst bei den Stimmbürgern eingetroffen, darunter auch das Abstimmungsbüchlein. Nun sorgt es für Aufregung: «Die Bundeskanzlei macht im Abstimmungsbüchlein irreführende Aussagen», kritisieren die Wohnbaugenossenschaften Schweiz (WBG), die zu den Initianten der Miet-Initiative gehören. Es sei empörend, dass die Bundeskanzlei dem Volk vormache, die Initiative koste bei einer Annahme 120 Millionen Franken im Jahr, so Louis Schelbert, WBG-Präsident.
Vielmehr handle es sich bei besagten 120 Millionen um rückzahlbare und verzinste Darlehen, an denen der Bund sogar verdiene.
Keine Kosten für die öffentliche Hand
Weiter werde im Büchlein unterstellt, dass es für mehr gemeinnützigen Wohnungsbau vor allem finanzielle Förderung brauche. Dabei verlange die Initiative in erster Linie Zugang zu Grundstücken. Der liesse sich mit raumplanerischen Mitteln ermöglichen, welche die öffentliche Hand nichts kosten würden.
Wie es auf Anfrage heisst, prüfen die WBG derzeit, ob sie eine Stimmrechtsbeschwerde deponieren. Sie könnte dazu führen, dass die Abstimmung nicht als rechtskräftig anerkannt wird. Angesichts des kurz bevorstehenden Termins dürfte das Vorhaben keine grossen Chancen haben.
Bundesrat Guy Parmelin (SVP) konterte die Kritik bereits vergangenen Monat: Bei der Umsetzung der Initiative müsse auch der Verwaltungsaufwand des Bundes berücksichtigt werden. Zudem, so Parmelin, bestehe bei dem 120-Millionen-Darlehen ein Ausfallrisiko.
Nachvollziehbare Berechnung des Bundes
Für Streit sorgt aber noch ein weiteres Papier: der Flyer des Hauseigentümer-Verbands (HEV), der kürzlich zu Hunderttausenden in den Briefkästen landete. Die Gegner der Miet-Initiative warnen darin vor einer «Verstaatlichung des Wohnungsmarkts».
Auch in dem Flyer werden 120 Millionen Franken als jährliche Kosten der Initiative für den Bund gelistet. Und HEV-Präsident Hans Egloff (60) argumentiert wie der Bundesrat: «Darlehen belasten den Haushalt und können verloren gehen.» Die 120 Millionen habe der Bund aufgrund der heutigen Kosten pro Wohnung nachvollziehbar berechnet. Egloff: «In Wirklichkeit wären die Gesamtkosten noch höher, weil zusätzlich eine neue Bürokratie aufgebaut werden muss.»
Fonds besteht bereits
SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (58, ZH) hält dagegen: In der Geschichte des Fonds de Roulement, mit dem der Bund günstige Kredite an gemeinnützige Wohnbauträger vergibt, sei es noch nie zu Darlehensausfällen gekommen.
Auch müsse keine Bürokratie aufgebaut werden, der Fonds bestehe ja bereits. Badran überlegt sich aktuell, «den Hauseigentümer-Verband wegen seines Lügenpamphlets zu verklagen».
Natalie Imboden vom Mieterverband bezeichnet die Zahlen im Flyer als «gezielte Fehlinformationen des Gegenkomitees und Ammenmärchen der Immobilienlobby»: «Der Mieterverband prüft zurzeit alle Schritte, auch juristische, wie gegen diese Falschinformationen vorgegangen werden kann.»
Am 9. Februar 2020 stimmen wir über die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ab. Gemäss Umfrage kommt sie im Volk gut an. Doch was will der Mieterverband genau? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen.
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Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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