Am Mittwoch entscheidet der Bundesrat, wie es bei den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU weitergehen soll. Aussenminister Ignazio Cassis (57) will die roten Linien aufweichen. Doch damit sticht er bei den Gewerkschaften in ein Wespennest. Kommt Cassis mit seinen Vorstellungen durch, droht ein linkes Referendum.
Während Linke und Gewerkschaften über Cassis schimpfen, bekommt der FDP-Magistrat nun Rückenwind aus der Wirtschaft. Diese befürwortet nämlich grossmehrheitlich ein institutionelles Rahmenabkommen, wie eine heute vorgestellte Umfrage von GFS Bern im Auftrag von Economiesuisse und Alliance Economie-Politique bei 975 Schweizer Unternehmen zeigt.
Deutliche Mehrheit für EU-Rahmenabkommen
Rund 80 Prozent aller Unternehmen wünschen sich im Grundsatz eine Weiterentwicklung der bilateralen Verträge und befürworten ein Rahmenabkommen. 14 Prozent stellen sich dagegen. Der Rest ist unentschlossen.
Falls das Rahmenabkommen mit einer gemeinsamen Streitschlichtung verknüpft wird, sinkt die Zustimmung allerdings – bleibt aber mit einem Ja-Anteil von 60 Prozent noch immer hoch. Eine andere Möglichkeit sieht die Wirtschaft mit Drei-Viertel-Mehrheit auch in neuen Teilabkommen.
Andere Optionen finden keine Mehrheiten: Für einen Alleingang der Schweiz ohne Bilaterale sprechen sich nur gerade 10 Prozent der Firmen aus. Umgekehrt für einen EU-Beitritt ebenfalls nur 15 Prozent. Auf immerhin 44 Prozent Zustimmung kommt ein EWR-Beitritt.
«Der Erhalt und die Weiterentwicklung der Bilateralen sind klar im Interesse der Schweizer Unternehmen. Dieses Interesse werden wir vehement vertreten – im gesamten politischen Prozess», so Economiesuisse-Direktorin Monika Rühl (54).
Wirtschaft rüstet sich für Abstimmungskämpfe
Das heisst auch, dass die Wirtschaft sich in entsprechenden Abstimmungskämpfen engagieren wird. Rühl sieht bereits verschiedene Urnengänge am Horizont, bei denen es auch um die Verteidigung der Bilateralen geht.
- Im November kommt die Selbstbestimmungs-Initiative der SVP an die Urne. Mit dem «absoluten Vorrecht der Bundesverfassung vor dem Völkerrecht, also auch vor dem Wirtschaftsvölkerrecht», sind für Rühl die Konsequenzen bei einem Ja klar: «Hunderte von bestehenden Wirtschaftsverträgen zu Freihandel, Investitionsschutz, Doppelbesteuerung usw. stünden auf dem Spiel.» In der Umfrage sind denn auch 53 Prozent der Firmen bestimmt oder eher gegen die Initiative. 37 Prozent sind dafür. Der Rest ist unentschlossen.
- Auch bei der neuen EU-Waffenrichtlinie stellt sich die Wirtschaft auf die Seite der Befürworter. 66 Prozent der Firmen sind für das verschärfte Waffenrecht, nur 30 Prozent dagegen. «Es ist aus unserer Sicht unverhältnismässig, wegen einer minimen Verschärfung das ganze Schengen-Abkommen aufs Spiel zu setzen», so Rühl. Machen die Schützenverbände ihre Drohung wahr und ergreifen das Referendum, wird wohl im Frühjahr 2019 darüber abgestimmt.
- Auch die Kohäsionsmilliarde zugunsten der EU-Oststaaten wird von den Firmen unterstützt. 52 Prozent sind dafür, 41 Prozent dagegen, der Rest ist unentschieden. Im Moment steht der definitive Entscheid dazu in Bundesbern noch aus. Ebenso ob die Kohäsionsmilliarde dereinst vors Volk kommt. Gegen ein entsprechendes Gesetz wurde nämlich kein Referendum ergriffen. So bleibt es dem Parlament überlassen, ob es den konkreten Kredit freiwillig dem Referendum unterstellt, wie das die SVP fordert.