Wirrer Auftritt des Bundespräsidenten im Ständerat
Sorge um Schneider-Ammann!

Der Bundespräsident ist müde und zerstreut. Politiker spekulieren über die angeschlagene Gesundheit und einen baldigen Rücktritt. Schneider-Ammann selbst sagt, er sei gesund und voller Engagement.
Publiziert: 17.09.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:12 Uhr
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Von Müdigkeit gezeichnet: Bundespräsident Johann Schneider-Ammann am Dienstagmorgen im Ständerat.
Foto: KEYSTONE
Sermîn Faki, Nico Menzato und Christof Vuille

Dienstagmorgen im Ständeratssaal: Bundespräsident Johann Schneider-Ammann (FDP) spricht zum Entsendegesetz – und schockiert viele Ständeräte. Obwohl die behäbige Art und die rhetorische Schwäche des Wirtschafts­ministers allseits bekannt sind, fällt dieser Auftritt aus dem Raster.

Völlig lethargisch stammelt Schneider-Ammann teils zusammenhanglose Sätze. Hat immer wieder Blackouts. Unterbricht mehrmals für mehrere Sekunden. Spielt nachdenklich mit seiner Brille. Verliert den Faden. Sein dutzendfach propagiertes «Erfolgs-Dreieck» – bestehend aus dualer Bildung, liberalem Arbeitsmarkt und einer intakten Sozialpartnerschaft – ist plötzlich eine «Pyra­mide». Betretenes Schweigen im Stöckli.

«Mache mir Sorgen»

Der Schwyzer SVP-Ständerat Peter Föhn sagt zu BLICK, der Bundespräsident wirke «sehr erschöpft», das Präsi­dialjahr beanspruche ihn offenbar sehr. «Ich mache mir Sorgen um seine Gesundheit, aber er muss selbst wissen, wie er damit umgehen will.»

Andrea Caroni (FDP/AR) sieht das Ganze nicht so dramatisch. «Am Abend nach dem Vorfall im Ständerat habe ich den Bundespräsidenten an einem Wirtschaftsanlass in Zürich in absoluter Hochform erlebt.» Er habe das Publikum «mit träfen Bonmots und erhellenden Anekdoten» gefesselt. Mehr will er zum Thema nicht sagen.

Hinter vorgehaltener Hand spekulieren Ständeräte aller Parteien über die Müdigkeit und die womöglich angeschlagene Gesundheit des Berners. Spätestens nachdem am Mittwoch der Walliser «Nouvelliste» und das welsche ­Radio RTS Schneider-Ammanns Gesundheitszustand thematisiert hatten, war dieser das Thema Nummer eins im Bundeshaus-Café, wie ein Parlamentarier sagt.

Manche Politiker erzählen von Krankheitsgerüchten, andere glauben, der Magistrat sei schlicht müde gewesen. Letzteres ist augenscheinlich. Und auch verständlich. Neben all den Terminen in der Schweiz reiste der bald 65-Jährige bereits in über ein Dutzend Länder und flog dadurch zweieinhalb mal um die Erde. So litt er dauernd an Jetlag. «Er nimmt sein Amt überaus ernst und gönnt sich womöglich zu selten ein Time-out», sagt ein CVP-Ständerat.

Kurzfristig abgesagt hat der Bundespräsident jedoch die Reise nach Abu Dhabi. Dort hätte er mitten in der Nacht bei fast 40 Grad und extremer Luftfeuchtigkeit die Solar Impulse empfangen sollen. Dass Vize-Bundespräsidentin Doris Leuthard ihn vertrat, wurde mit Terminkollisionen begründet.

Doch auch in Bern ist Johann Schneider-Ammann gefordert – manche meinen, er sei überfordert. «In der Kommission bittet er jeweils darum, nur drei Fragen am Stück beantworten zu müssen, bei anderen Bundesräten sind es doppelt so viele», sagt ein Parlamen­tarier.

Rücktritt auf Ende des Präsidialjahres?

Schneider-Ammanns Pressechef Noé Blancpain beschwichtigt. Der Wirtschaftsminister habe im Sommer nach einem Rippenbruch einen hartnäckigen Husten gehabt. Aufgrund der dichten Agenda und der Auslandreisen auch während der Sommerferien habe es lange gedauert, bis dieser Husten auskuriert gewesen sei. «Die lange Rekonvaleszenz bringt auch eine gewisse Müdigkeit mit sich, wie dies am Dienstag der Fall war», sagt Blancpain. Der Bundespräsident sei gesund und arbeite mit grösstem Engagement und Freude: «Ein Rücktritt auf Ende Jahr ist überhaupt kein Thema.»

Dennoch, die Spekulationen verleihen jenen Strategen Auftrieb, die mit einem baldigen Rücktritt des FDP-Magistraten rechnen. Gemäss BLICK-Informationen plant etwa die SP schon die nächste Bundesratswahl und sondiert, wen sie als Nachfolger wählen würde. Tatsächlich könnte Schneider-Ammann mit dem Erreichen des Pensionsalters im Februar auf dem Höhepunkt seiner politischen Kar­riere abtreten. Ständerat Föhn rechnet damit: «Mir kommt er hin und wieder wie ein Mitarbeiter vor, der innerlich schon gekündigt hat.»

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