Wie die Schweiz in Washington lobbyiert
169'600 Dollar, um Barack Obama & Co. einzuseifen

Was die Kasachen tun, tut auch die Schweiz: Sie kämpft im Ausland mit Lobbyisten um Einfluss.
Publiziert: 24.05.2015 um 22:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:21 Uhr
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«Aus der Ferne seid gegrüsst»: Das US-Präsidentenpaar Barack und Michelle Obama liess die Gala in der Schweizer Botschaft links liegen.
Foto: AFP/Olivier Douliery
Von Christoph Lenz

Seit dem Fall Markwalder ist bekannt, dass regierungsnahe Kreise der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan in der eidgenössischen Politik mitmischen. Doch was die Kasachen tun, tut die offizielle Schweiz schon lange.

Auch der Bund heuert im Ausland renommierte PR-Firmen und Lobby-Agenturen an, um Themen auf die Agenda zu hieven und seine nationalen Interessen durchzusetzen. Dabei nimmt Bern stattliche Kosten in Kauf. So legen offizielle Dokumente aus den USA nahe, dass eine Lobbyfirma 42 400 Dollar dafür erhielt, die Obamas, ihre Entourage und die Washingtoner Machtelite für eine Modeschau in die Schweizer Botschaft zu locken.

Der vom Sonntags-Blick recherchierte Lobbying-Fall geht zurück ins Jahr 2009. Bern und Washington liegen damals über Kreuz. Bankenstreit! Erst als der Bundesrat einwilligt, 4450 UBS-Kundendossiers nach Übersee zu schicken, gibt es eine Verschnaufpause. Die Landesregierung will sie nutzen – für eine Rufkorrektur in den USA. Man hofft, die Brandherde im Steuerstreit liessen sich mit Imagepolitur eindämmen. So kommt es am 15. September 2009 in Washington D. C. zu einem wichtigen Meeting: Urs Ziswiler (66), damals Schweizer Botschafter in den USA und enger Vertrauter von Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (SP, 69), trifft Rob Rehg. Dieser ist Chef des Hauptstadtbüros des PRGiganten Edelman. Rehg gilt als Spezialist für diffizile Regierungsjobs: Angola, Malawi, Indien und weitere Staaten vertrauten schon auf seine Dienste.

Ziswiler beauftragt Rehg, von September 2009 bis Januar 2010 auf ausgewählte Kreise einzuwirken. Konkret: das Bild der Eidgenossenschaft zu verbessern. Das Verständnis für Eigenheiten der Schweiz zu fördern. Und an die engen Bande zwischen den «Schwesterrepubliken» zu erinnern. So steht es im Vertrag.

Rehg nimmt den Auftrag an und holt mit der Podesta Group eine weitere, bestens vernetzte Lobby-Agentur an Bord. Gründer und Boss Tony Podesta (71) wird von der «New York Times» in die Kategorie «Superlobbyist» eingereiht. Sein Bruder John Podesta (66) zählte zu Bill Clintons (68) engstem Machtzirkel und leitet jetzt den Präsidentschaftswahlkampf von Hillary Clinton (67).

Klar, eine solche Lobby-Offensive gibt es nicht gratis. Botschafter Ziswiler und das Aussendepartement (EDA) legen für die viermonatige Kampagne 169600 Dollar auf den Tisch.

Fortan wieseln Lobbyisten im Dienst der Schweiz über das politische Parkett in Washington. Zudem beraten sie die Schweizer Botschaft, unter anderem in Kommunikationsfragen. Höchste Priorität geniesst natürlich das Thema Finanzplatz.

Doch damit nicht genug. Die Lobbyisten werden auch für ungewöhnliche Missionen eingesetzt. So sollen sie dafür sorgen, dass möglichst viel Politprominenz an sozialen Events in der Botschaft erscheint.

Etwa an einer von Botschafter Ziswiler ausgerichteten Modeschau, in welcher die Designerin Isabel Toledo (54) ihre Sommerkollektion präsentiert. Toledo ist die Schöpferin jenes Kleides, das First Lady Michelle Obama (51) bei der Inauguration ihres Ehemannes im Januar 2009 trug. Der Schweiz-Bezug: Das Kleid wurde aus St. Galler Spitzen der Firma Forster Rohner gefertigt. Kreationen aus St. Galler Spitzen werden auch an der Modegala in der Botschaft präsentiert.

Am 2. November 2009, zwei Tage vor dem Event, schickt Podesta-Mitarbeiterin Molly McKew 22 Einladungs-E-Mails an die Washingtoner Regierungselite. Neun E-Mails gehen direkt ins Weisse Haus. Unter den Adressaten: die langjährige enge Vertraute von Michelle Obama, Kristen Jarvis (34). Und Barack Obamas persönliche Sekretärin, Katie Johnson (34).

Doch vergeblich. Das Präsidentenpaar lässt sich an der Gala nicht blicken. Berichten zufolge mischen sich aber immerhin einige Kongressabgeordnete unters Publikum. Podesta erhält im Folgemonat laut Dokumenten 42 400 Dollar für seine Dienste.

So viel Geld für eine Handvoll E-Mails? Beim EDA bezeichnet man diese Verknüpfung als «Missverständnis». Der Betrag stehe in «keinem direkten Bezug zur Modeschau», sondern entspreche vertraglichen Abmachungen. Neben der Beziehungspflege hätten die PR-Agenturen die Botschaft auch bei der Medienarbeit oder der Public-Affairs-Strategie unterstützt.

Zur Wirkung der Lobby-Offensive von 2009 äussert sich das EDA nicht. Es verweist aber auf den internationalen Druck, der in dieser Zeit auf der Schweiz lastete. Dieser habe Bundesrat und Verwaltung dazu bewogen, eine Public-Affairs-Strategie auszuarbeiten. Dank zusätzlicher Mittel habe Präsenz Schweiz verschiedene Massnahmen umsetzen können, darunter auch einige Events.

Das EDA arbeite im Ausland punktuell mit Kommunikationsagenturen zusammen, sagt ein Sprecher. Die Dienste von effektiven Lobby-Agenturen nehme man aber «üblicherweise» nicht in Anspruch.

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