Kein anderer muslimischer Verein ist so aktiv wie der Islamische Zentralrat Schweiz (IZRS) – und so umstritten. Vor einer Woche lud die Organisation in den Konzertsaal Solothurn. Bei Gratis-Pasta und Kuchen referierte Präsident Nicolas Blancho (31) zum Thema: «Was in der Islam-‹Arena› wirklich geschah».
Blancho kritisierte die Schweizer Medien. Seine Botschaft: Sie sind gegen uns. Immer mehr zelebriert der IZRS die Opferrolle der Muslime – und treibt damit die Radikalisierung seiner Mitglieder voran.
Einblicke in die Gedankenwelt der IZRS-Anhänger gibt das Internet. Auf der Facebook-Seite des Vereins lästern Muslime über eine Frau, die in Köln (D) ohne Kopftuch betet. In anderen Kommentaren machen IZRS-Mitglieder aus ihren Sympathien für Islamisten kein Geheimnis – solange sie sich unter Gleichgesinnten wähnen.
SonntagsBlick berichtete vor zwei Wochen über Fitore S.* (23), die in einem Post auf Facebook den Terroristen Anwar al-Awlaki (†40) als «Vorbild» der muslimischen Gemeinschaft pries. Al-Awlaki war ein ranghohes Mitglied der Terrororganisation Al Kaida. Er rief zur Tötung von Ausländern im Jemen auf und sprach eine Fatwa gegen Mohammed-Karikaturisten aus. Nach Veröffentlichung des Artikels im SonntagsBlick behauptete Fitore S., der Post stamme nicht von ihr, er sei gefälscht.
Bis heute hat sich Fitore S. aber nicht dazu geäussert, wer den Post gefälscht haben könnte. Dem SonntagsBlick dagegen liegt die Konversation vor, während der der Post entstand.
Eine Konvertitin aus dem Wallis fragte am 5. April 2014 nach dem Namen Anwar al-Awlaki. «Ich finde via Google: Islamischer Hassprediger mit Verbindungen zu al-Qaida ... Bin Laden des Internets ... aber wer glaubt schon Google?», schrieb sie. Daraufhin antwortet Fitore S. mit dem umstrittenen Post: «Schade kennst du ihn nicht. Du solltest auf jeden Fall mehr von ihm lesen, aber nicht auf diesen Seiten. Das was du geschrieben hattest ist totale Propaganda.»
Hass auf Ungläubige
Fitore S. bestreitet also, diesen Post veröffentlicht zu haben. Umso seltsamer mutet eine weitere Konversation auf Facebook an, die SonntagsBlick vorliegt. Nach der Veröffentlichung des Artikels äusserte sich die Konvertitin aus dem Wallis zur Berichterstattung. Offenbar gebe es «Aufregung» um «alte Posts». Deshalb habe sie gewisse Kommentare jetzt «gelöscht». Das wirft Fragen auf – Fragen, die weder Fitore S. noch die Walliserin beantworten wollten.
Der Fall zeigt, wie weit Aussendarstellung und Überzeugung bei den Anhängern des IZRS auseinanderklaffen. Islam-Kenner Hamed Abdel-Samad (43) warnt vor dem Zentralrat. «Wenn sie sich unbeobachtet fühlen, lassen sie ihrem Hass auf Ungläubige freien Lauf.» Mit ihren Aussagen konfrontiert, würden sie leugnen und lügen. «Das ist ein bekanntes Muster.» Der IZRS verachte die westliche Kultur, auch wenn die Vertreter nach aussen das Gegenteil behaupteten.
Tatsächlich haben der Islamische Staat und der IZRS gemeinsame Vordenker. Diese Woche verbrannte die Terrormiliz in Syrien einen jordanischen Piloten. Als Rechtfertigung berief sie sich laut Berichten auch auf den islamischen Gelehrten Ibn Taymiyya, der im 13. Jahrhundert gelebt hatte. Auch der IZRS postet auf Facebook Aussagen von Ibn Taymiyya.
«Er ist nur einer von vielen grossen und äusserst einflussreichen Rechtsgelehrten, auf die sich heutige muslimische Rechtsgelehrte und Theologen mitunter auch berufen», sagt IZRS-Sprecher Qaasim Illi. Eine besondere Affinität des IZRS zu Ibn Taymiyya könne er nicht bestätigen.
Hamed Abdel-Samad dagegen hat schon vor einem Jahr gefordert, den Islamischen Zentralrat zu verbieten. Der Staat dürfe einer solchen Organisation nicht die Möglichkeit geben, ihre radikalen Botschaften ungehindert zu verbreiten. «Gewalt beginnt nicht mit Waffen», sagt Abdel-Samad. «Die Schweiz darf sich nicht an der Nase herumführen lassen.»