Widerstand gegen AHV-Steuer-Deal
Levrat kommen die Kameraden abhanden

Mit Spannung erwartet Bundesbern, wie sich die SVP in Sachen AHV-Steuerdeal entscheidet. Der wahre Machtkampf findet aber in der SP statt. Mit weitreichenden Folgen.
Publiziert: 01.09.2018 um 01:22 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 21:30 Uhr
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Ueli Maurer hofft auf eine schnelle Reform der Unternehmenssteuern. Denn sonst könnte die Schweiz auf einer schwarzen Liste landen, und mobile Firmen könnten abwandern.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Gebannt starrt das politische Bern am kommenden Freitag und Samstag auf Zimmer 301 im Bundeshaus. Dann trifft hier die SVP-Fraktion zusammen, um die Herbstsession vorzubereiten.

Die Frage, die sich alle stellen: Wer gewinnt – Aeschi oder Martullo? Fraktionschef Thomas Aeschi (39) und Magdalena Martullo-Blocher (49), Wirtschaftschefin der Partei, liegen im Clinch bei der wichtigsten Vorlage: Während EMS-Chemie-Boss Martullo-Blocher den AHV-Steuer-Deal unterstützt, lehnt Aeschi diesen ab (BLICK berichtete).

SVP-Machtkampf entscheidet sich später

Der vom Ständerat eingefädelte Kuhhandel sieht vor, dass für jeden Franken, den Unternehmen an Steuern sparen, ein Franken in die Sanierung der AHV fliesst. Damit soll die Reform dem Stimmvolk schmackhaft gemacht werden, das den letzten Versuch versenkt hat.

Der Machtkampf Martullo-Aeschi wird allerdings noch nicht am Samstag entschieden. Erst am Dienstag der ersten Sessionswoche muss die Fraktion Farbe bekennen, auf wessen Seite sie sich schlägt.

Bei der SP geht es heiss zu und her

Während Bundesbern umsonst gebannt auf die SVP starrt, geht einen Stock tiefer wirklich die Post ab. Denn im Unterschied zur SVP entscheidet die SP bereits, ob sie den Kuhhandel mittträgt. Und Obergenosse Christian Levrat (48), der für den Deal ist, kommen immer mehr Unterstützer abhanden.

Erst haben die Jung-Genossen Mattea Meyer (30), Fabian Molina (28) und Cédric Wermuth (32) in einem viel beachteten Artikel in der «WOZ» Fundamentalopposition angekündigt, was ihnen einen Rüffel von Levrat und Co. einbrachte.

Dann gingen auch die Grünen – der kleine Bündnispartner – auf Abstand zum Deal. Und Alliance Sud, der Dachverband der grossen Schweizer Hilfswerke, warnt ebenfalls davor.

Unia soll Nein zum Deal sagen

Doch jetzt kommt es noch schlimmer: Auch die grösste Gewerkschaft des Landes schwenkt auf Referendumskurs ein. Wie mehrere Quellen BLICK berichten, habe die Unia-Geschäftsleitung nicht nur beschlossen, den Kuhhandel nicht zu unterstützen, sondern gar das Referendum gegen die neuen Steuerprivilegien für Unternehmen ins Auge zu fassen. Unia-Chefin Vania Alleva (49) war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Im Schweizerischen Gewerkschaftsbund ist daher Feuer unterm Dach. Präsident Paul Rechsteiner (66) hat den Deal mit eingefädelt. Sagt sein grösstes Mitglied Unia Nein, steht er mit abgesägten Hosen da.

Dies ist umso schmerzhafter, als die Gewerkschaften derzeit besonders geeint auftreten müssten: Wollen sie in den Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU den hohen Schweizer Lohnschutz verteidigen, darf kein Haar zwischen ihnen Platz haben.

Kuhhandel gefährdet

Das Nein der Unia führt zu einer komplett neuen Ausgangslage. Denn Teile der SP könnten sich im Nationalrat auf ihre Seite schlagen. Dann scheitert der AHV-Steuer-Deal schon im Parlament. Verheerend wäre das vor allem für den Steuerteil. Ohne schnelle Lösung könnte die Schweiz schon im kommenden Frühjahr auf einer schwarzen Liste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) landen.

So will Aeschi die AHV-Spritze finanzieren

Um die Reform der Unternehmenssteuern mehrheitsfähig zu machen, will sie der Ständerat mit einer Finanzspritze für die AHV versüssen: Für jeden Franken, den Unternehmen an Steuern sparen, soll ein Franken in das Alterswerk fliessen. Finanziert durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (39) hält diesen Deal für «chancenlos». Das Geld für die AHV soll anders zusammenkommen. Wie, das hat er in Anträgen an die Wirtschaftskommission formuliert, die die Steuerreform Mitte August berät:

  • Die Schweiz soll die Ostmilliarde, die den östlichen EU-Staaten zugute kommt, streichen. «Der Kohäsionsbeitrag wird von über 70 Prozent der Bevölkerung klar abgelehnt», begründet er dies. Mit dem Verzicht auf dieses Geschenk würde der Bund 1,3 Milliarden Franken sparen.
  • Sparen will Aeschi auch bei der Entwicklungshilfe: Diese soll wieder auf 0,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts sinken. Das bringe jährlich fast 400 Millionen Franken.
  • Aeschi will «dem Schmarotzertum im Asylbereich einen Riegel schieben»: Anerkannte Flüchtlinge, Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Sans-Papiers sollen nicht mehr Geld vom Staat erhalten dürfen als AHV-Rentner.
  • Zudem sollen Krankenkassenprämien, Lebens- und private Unfallversicherungen sowie Zinserträge auf Sparkonten vollumfänglich von der direkten Bundessteuer abgezogen werden können – bis maximal 14'000 Franken für Ehepaare und 7000 für Alleinstehende. Heute liegen die Maximalbeträge bei 3500 respektive 1700 Franken. Vor allem Gut- und Spitzenverdiener zahlen Bundessteuern.

Um die Reform der Unternehmenssteuern mehrheitsfähig zu machen, will sie der Ständerat mit einer Finanzspritze für die AHV versüssen: Für jeden Franken, den Unternehmen an Steuern sparen, soll ein Franken in das Alterswerk fliessen. Finanziert durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge.

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (39) hält diesen Deal für «chancenlos». Das Geld für die AHV soll anders zusammenkommen. Wie, das hat er in Anträgen an die Wirtschaftskommission formuliert, die die Steuerreform Mitte August berät:

  • Die Schweiz soll die Ostmilliarde, die den östlichen EU-Staaten zugute kommt, streichen. «Der Kohäsionsbeitrag wird von über 70 Prozent der Bevölkerung klar abgelehnt», begründet er dies. Mit dem Verzicht auf dieses Geschenk würde der Bund 1,3 Milliarden Franken sparen.
  • Sparen will Aeschi auch bei der Entwicklungshilfe: Diese soll wieder auf 0,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts sinken. Das bringe jährlich fast 400 Millionen Franken.
  • Aeschi will «dem Schmarotzertum im Asylbereich einen Riegel schieben»: Anerkannte Flüchtlinge, Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und Sans-Papiers sollen nicht mehr Geld vom Staat erhalten dürfen als AHV-Rentner.
  • Zudem sollen Krankenkassenprämien, Lebens- und private Unfallversicherungen sowie Zinserträge auf Sparkonten vollumfänglich von der direkten Bundessteuer abgezogen werden können – bis maximal 14'000 Franken für Ehepaare und 7000 für Alleinstehende. Heute liegen die Maximalbeträge bei 3500 respektive 1700 Franken. Vor allem Gut- und Spitzenverdiener zahlen Bundessteuern.
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