Whistleblower kaum geschützt
Der Fall Assange – ein Weckruf für die Schweiz

Mit der Anhörung vor dem High Court in London endet ein weiteres Kapitel einer Politfarce. Wie die Schweiz ihre Lehren aus dem Fall ziehen sollte. Ein Kommentar des «Beobachters».
Publiziert: 23.02.2024 um 20:30 Uhr
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Aktualisiert: 26.02.2024 um 13:24 Uhr
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Wer unliebsame Informationen veröffentlicht, wird in den USA verfolgt und weggesperrt.
Foto: AFP
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Balz Ruchti
Beobachter

Ein über hundertjähriges Gesetz wird Julian Assange zum Verhängnis. Mithilfe des Espionage Acts von 1917 – mit dem die Weitergabe von Geheiminformationen verfolgt werden sollte – haben die US-Behörden während der vergangenen zwölf Jahre am Gründer von Wikileaks ein Exempel statuiert. Wer unliebsame Informationen veröffentlicht, wird verfolgt und weggesperrt. Egal, wie hehr seine Absichten sind und wie abscheulich das Enthüllte ist.

Zur Erinnerung: Wikileaks deckte unter anderem Folter, aussergerichtliche Hinrichtungen und Kriegsverbrechen auf. Ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat sich das Video mit dem Titel «Collateral Murder». Die Aufnahmen stammen aus einem US-Kampfhelikopter, der Zivilisten angreift und dabei elf von ihnen tötet, darunter zwei Journalisten.

Ausgerechnet die Schweiz steht schlecht da

Die Drohung der US-Behörden richtet sich aber nicht nur gegen Whistleblower. Weltweit droht allen Medienschaffenden das gleiche Schicksal, wenn sie es wagen, mit geleakten Geheiminformationen zu arbeiten, die amerikanischen Interessen zuwiderlaufen.

Artikel aus dem «Beobachter»

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Wer nun glaubt, einzig eine wild gewordene US-Strafverfolgung in Kombination mit einem greisen Kriegsgesetz habe einen solchen Exzess gegen die Pressefreiheit ermöglicht, wiegt sich in falscher Sicherheit.

Ausgerechnet die Schweiz schützt Menschen wie Julian Assange äusserst schlecht. Whistleblower, die Missstände publik machen, verlieren oft ihre Existenz. Das Parlament weigert sich seit über 15 Jahren, jenen einen angemessenen arbeitsrechtlichen Schutz zu gewähren, die sich gegen die Mächtigen auflehnen.

Bankengesetz hat ebenfalls demokratieschädigende Wirkung

Seit 2015 leisten wir uns zudem ein Bankengesetz, das den totalitären Geist des Espionage Act atmet: Es kriminalisiert nicht nur Personen, die Bankdaten stehlen und weitergeben, sondern alle, die solche Daten erhalten und «weiteren Personen offenbaren».

Eigentlich soll es verhindern, dass ein Markt für gestohlene Bankdaten entsteht. Dass es auch Medien daran hindert, dreckige Bankgeschäfte wie Geldwäsche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufzudecken, wird bewusst in Kauf genommen. Wie der Espionage Act lässt sich auch das Bankengesetz gegen unbequeme Medienschaffende und Whistleblower einsetzen.

Während sich die US-Behörden erst im Laufe der Jahrzehnte trauten, den Espionage Act auch gegen Whistleblower und schliesslich gegen Journalisten einzusetzen, zeigte das Bankengesetz seine demokratieschädigende Wirkung sofort: Selbst wenn Schweizer Medienschaffende von illegalen Machenschaften von Schweizer Banken erfahren, dürfen sie nicht dazu recherchieren, geschweige denn etwas darüber schreiben.

Politische Aktivisten und Terroristen potenziell in gleicher Schublade

Das sollte eigentlich Warnung genug sein. Trotzdem hat das Schweizer Stimmvolk vor bald drei Jahren ein neues Anti-Terror-Gesetz gutgeheissen, wonach bereits Bestrebungen, Staat und Gesellschaft durch die Verbreitung von Furcht und Schrecken zu beeinflussen, als «terroristische Aktivität» gelten. Darunter fällt streng genommen auch, wer vor der Klimakatastrophe, der Errichtung einer Diktatur durch den Bundesrat oder vor kriminellen Ausländern warnt. Politische Aktivisten werden damit in dieselbe Schublade wie potenziell gewalttätige Terroristen gesteckt.

Die Befürworter dieses Gesetzes beschwichtigten und verwiesen auf das Augenmass unserer Behörden und auf den Schweizer Rechtsstaat. Der Fall Julian Assange zeigt, wie verheerend und weitreichend die Folgen solcher Gesetze sein können, wenn dieses Augenmass verloren geht.

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