Werden Landwirte im Stöckli zur Rarität?
Ständerat-Bauern machen sich vom Acker

Den Bauern im Ständerat gehen die Lobbyisten aus. Denn viele Landwirte, Agronomen und Nahrungsmittelvertreter nehmen im Herbst den Hut. Und die gehandelten Nachfolger haben keine Miststöcke vor dem Haus.
Publiziert: 03.02.2019 um 23:35 Uhr
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Bauernpräsident Markus Ritter hat es im Ständerat schwieriger als im Nationalrat. Im Stöckli brauche es schon mehr Überzeugungskraft, sagt er.
Foto: Keystone
Andrea Willimann
Andrea WillimannBundeshaus-Redaktorin

Die Macht der Bauernlobby im Nationalrat ist legendär. Im Ständerat hingegen hat sie weniger Einfluss. Häufig spürbar wird das bei den Budgetberatungen – gegenüber der Landwirtschaft fährt die kleine Kammer oft die härtere Linie. «Es sind vor allem Vertreter aus ländlichen Kantonen und ehemalige Regierungsräte aus bäuerlichem Umfeld, die uns nahestehen», sagt Bauernpräsident Markus Ritter (51). Aber es brauche schon mehr Überzeugungskraft als in der grossen Kammer, so der CVP-Nationalrat.

Umso schmerzlicher trifft Ritter daher der Aderlass bei den wenigen Getreuen im Stöckli: SVP-Urgestein Peter Föhn (66, SZ) macht sich ebenso vom Acker wie der Innerrhoder Ivo Bischofberger (60, CVP) und der Thurgauer Agronom Roland Eberle (65, SVP).

Den Hut nehmen auch der Berner Bauernsohn Werner Luginbühl (61, BDP) sowie die Waadtländerin Géraldine Savary (50, SP), Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung der AOP-IGP-Produkte, sprich der Produkte mit Schweizer Ursprung.

Der Zuger Peter Hegglin (58, CVP) könnte bald der einzige Bisherige im Ständerat sein, der schon einmal einen Landwirtschaftsbetrieb geleitet hat. Sein Urner Parteikollege Isidor Baumann (63) soll sich Rücktrittsgedanken wegen seines Alters machen.

Gut stehen die Chancen nur in drei Kantonen

Fünf sichere Abgänge – aber nur in vier Kantonen können sich Bäuerliche gute Chancen ausrechnen. So dürften im Thurgau entweder SVP-Nationalrat Markus Hausammann (54), ein Meisterlandwirt, oder SVP-Regierungsrat und Bauernsohn Jakob Stark (60) den Sitz von Eberle verteidigen. Auch im Aargau, wo SVP-Nationalrat Hansjörg Knecht (58) als Müller Landwirtschaftsprodukte verarbeitet, kann sich die Bauernlobby grosse Hoffnungen machen.

Im Baselbiet könnte Grünen-Nationalrätin und Biobäuerin Maya Graf (56) den Wechsel vom National- in den Ständerat schaffen. Allgemein wird mit dem Rücktritt von Claude Janiak (SP, 70) gerechnet. Energie- und Auslandpolitiker Eric Nussbaumer (SP, 58) sowie Wirtschaftsvertreterin Daniela Schneeberger (FDP, 51) haben eher die schlechteren Karten.

In Appenzell dürfte Landammann Daniel Fässler (58) so sicher auf Bischofberger folgen, wie das Amen in der Kirche ist. Der CVP-Nationalrat ist zwar nicht als Landwirtschaftspolitiker bekannt, doch als Hobbyzüchter von Appenzeller Spitzhauben (einer seltenen Hühnerrasse). Er dürfte durchaus empfänglich sein für die Argumente der Bauern. Zudem ist Fässler Präsident des Verbandes der Schweizer Waldeigentümer.

Verluste in den Agrarkantonen Bern und Luzern?

Den bauerntreuen Föhn im Kanton Schwyz zu ersetzen, dürfte jedoch sehr schwer werden. SVP-Nationalrat und Landwirt Marcel Dettling (38) überlegt sich zwar eine Kandidatur. Er wird aber im CVP- und FDP-Lager auf politikerfahrenere Mitbewerber stossen. Eventuell müsste er sogar einen Hosenlupf mit FDP-Chefin Petra Gössi (43) auf sich nehmen.

Noch düsterer sieht es im Agrarkanton Luzern aus. Die Kandidatin der CVP, die Stadtluzernerin Andrea Gmür (54), hat keinen Misthaufen vor dem Haus. Ihr chancenreichster Gegner, SVP-Nationalrat Franz Grüter (55), wägt noch ab, ob er antritt. Der IT-Unternehmer ist aber immerhin mit dem vom Bauernverband abstammenden Internetprovider Green gross geworden. 

Der Berner SVP-Nationalrat und Agronom Werner Salzmann stünde da den Bauern sicher nahe. Doch mit der Seeländerin Beatrice Simon (58, BDP) verteidigt eine starke Regierungsrätin den BDP-Sitz, und der Bieler SP-Ständeherr Hans Stöckli (66) wird halten.

Bürgerliche Wende wird ohne Bauern nicht einfacher

Das alles bedeutet unter dem Strich, dass die Bäuerlichen ihre ohnehin kleine Lobby im Ständerat nicht ersetzen und schon gar nicht ausbauen können. «Wir werden im Herbst eine Standortbestimmung machen müssen», sagt dazu Bauernchef Ritter. Dass fast der halbe Ständerat wechselt – bislang wollen 19 von 46 zurücktreten –, sei aber Chance und Risiko zugleich.

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