Seit vier Jahren gibt es sie. Seither machen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) immer wieder mit vermeintlichen und tatsächlichen Skandalen von sich reden.
BLICK berichtete zuletzt über das Schicksal von Klassenlehrerin D. M.* in Dietikon ZH. Diese wurde vor den Augen ihrer Schüler von den Mutter Marie L.* verprügelt. Der Vater Martin L. stand bei der Attacke im Türrahmen – er soll sogar eine Waffe dabeigehabt haben.
Es war die Rache des Ehepaars für eine Kesb-Meldung, die die Schule gemacht hatte. Der Bub hatte in der Schule anscheinend wegen der Schläge seines Vaters über Kopfschmerzen geklagt. Zur Eskalation im Klassenzimmer kam es, weil die Kesb den Eltern die Schule als Meldungserstatter angegeben hatte.
Kesb macht Meldungserstatter bekannt
Das ist keine Seltenheit. Denn wer bei der Behörde Meldung erstattet, wird den davon Betroffenen in der Regel namentlich benannt. «Anonymisiert wird ein Melder nur, wenn die Kesb sicher ist, dass er an Leib und Leben gefährdet ist», sagt Guido Marbet, Präsident der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz.
Denn: Würde die Behörde ihren Meldern absolute Anonymität zugestehen, stünde das Tor für gezieltes Denunziantentum zu weit offen. Mit frei erfundenen Vorwürfen liesse sich so das Leben von anderen zur Hölle machen. Ohne dass diese jemals erfahren, wer dahintersteckt. Das versetzt die Behörde in ein Datenschutz-Dilemma. Meldungen sind willkommen – aber den Meldern kann sie keinen Informantenschutz garantieren.
Schneller Wegzug nach Drohung
So erging es auch einem Familienvater aus dem Grossraum Zürich. Er zog aus Angst mit seiner Familie an einen neuen Wohnort um. Grund: Er hatte seinen Nachbarn bei der Kesb gemeldet, da er beobachtet hatte, wie dieser den Sohn misshandelt hatte. Als der Nachbar dann das Dossier der Kesb und den Namen des Informanten las, stiess dieser wüste Drohungen aus und kündigte Rache an.
Dabei sind Verfahrenswege bei der Kesb womöglich kürzer und direkter – im Vergleich zu einem regulären Strafverfahren sind sie aber ähnlich. «Der Beschuldigte erfährt eigentlich immer, wer Anzeige erstattet hat», sagt Gian Andrea Rezzoli von der Kantonspolizei St. Gallen.
Wie sieht der Umgang mit sensiblen Daten aus?
Der Unterschied: Anders als bei «normalen» Straffällen stehen bei der Kesb fast ausschliesslich sensible Themen im Vordergrund. Es geht oft um das Innenleben von Familien, häufig wird es intim.
Verschwiegenheit und Diskretion sind bei solchen Abklärungen eigentlich von grösster Bedeutung. Bloss: Beim Thema Datenschutz läuft bei der Kesb nicht immer alles rund.
Franziska N.* weiss das aus eigener Erfahrung: «In meinem Briefkasten fand sich plötzlich eine ganze Kesb-Akte, mit dem Vermerk ‹vertraulich›. Also ein brisantes Dossier.» Die Bernerin sieht alles – nichts ist eingeschwärzt, nichts anonymisiert. Die brisanten Dokumente gelangten versehentlich zu ihr. Sie waren für einen völlig anderen Empfänger bestimmt.
Probleme auch bei Datenschutz und Sorgfaltspflicht
«Familienname, Anschrift – sogar der Namen des Melders. Auch wenn vielleicht die Pöstlerin Schuld hat: Als ich den Inhalt las, fragte ich mich schon, wie es bei der Behörde mit Datenschutz oder Sorgfaltspflicht so läuft», sagt sie zu BLICK.
Ihr Erlebnis erinnert an die Vorgänge in der Strafanstalt Pöschwies bei Regensdorf ZH. Dort arbeiteten Gefangene zwecks Archivierung während Jahren mit Kesb-Akten und hatten so Zugang zu sensiblen Dokumenten. Mindestens einmal soll ein Häftling Unterlagen gar in seine Zelle genommen haben.
Immerhin: Daraus hat die Kesb ihre Lehren gezogen. Die Akten werden nun elektronisch archiviert.
* Namen der Redaktion bekannt