Wenn Profitdenken die Gesundheit bedroht
Corona, das neue Aids

Während die Industrienationen den Impfturbo zünden, herrscht im globalen Süden Notstand. Das erinnert stark ans Aids-Debakel in den 1990er-Jahren. Nun haben privilegierte Länder und die Pharma die Chance auf Wiedergutmachung, meint SonntagsBlick-Reporter Sven Zaugg.
Publiziert: 30.05.2021 um 10:12 Uhr
«Auch heute wehrt sich die Pharmabranche, Patente auszusetzen oder lebensrettendes Wissen zu teilen, obwohl ein Grossteil der Corona-Forschung mit öffentlichen Geldern angeschoben wurde», sagt SonntagsBlick-Reporter Sven Zaugg.
Sven Zaugg

Begehen wir heute bei der Eindämmung des Coronavirus die gleichen Fehler wie damals im Kampf gegen Aids? Die Antwort lautet: ja. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

1996 stellten Forscher eine hochwirksame Kombinationstherapie vor und revolutionierten die Aids-Behandlung. Das gelang nur, weil Industrienationen die Forschung dafür mit Milliarden aus öffentlichen Geldern alimentierten. Doch während Kranke in reichen Ländern die neuen Arzneien erhielten, mussten Millionen Infizierter in ärmeren Regionen ihr Leben lassen. Sie hatten schlicht keinen Zugang zu den Medikamenten. Mitverantwortlich dafür war der strenge Patentschutz.

Südafrika wehrte sich und erliess 1997 ein Gesetz, das Import und Herstellung von Generika erlaubte, um so den Zugang zu den lebensnotwendigen Arzneien zu sichern. Daraufhin zerrten 40 Pharmafirmen den afrikanischen Staat vor Gericht und zogen die Klage erst nach heftigen Protesten zurück.

Auch heute wehrt sich die Pharmabranche, Patente auszusetzen oder lebensrettendes Wissen zu teilen, obwohl ein Grossteil der Corona-Forschung mit öffentlichen Geldern angeschoben wurde. Gleichzeitig horten reiche Industrienationen Impfstoffe, die anderswo gebraucht würden.

Die Klage der Pharma gegen Südafrika ist eines der dunkelsten Kapitel der Seuchenbekämpfung. Nun haben Industrie und privilegierte Länder die Chance auf Wiedergutmachung. Dafür bräuchte es viel mehr Druck aus der Politik. Doch die Zeichen dafür stehen schlecht – besonders im Pharmaland Schweiz.


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