Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (68, CSU) fordert eine Wende in der Flüchtlingspolitik. Und stellt sich offen gegen Kanzlerin Angela Merkel (63, CDU). Sollte sich der machtbewusste Bayer im Konflikt mit Merkel durchsetzen, hätte das auch Konsequenzen für die Schweiz, Deutschlands südlichen Nachbarn. Seehofer hat im Sinn, dass jeder Flüchtling, der bereits in einem anderen Mitgliedsland von Schengen-Dublin registriert worden ist, direkt an der Grenze zurückgewiesen werden soll. Ein Asylverfahren würde in einem solchen Fall gar nicht erst eröffnet.
Zwei Drittel der Asylsuchenden tauchen ab
Das könnte zurückfallen auf die Schweiz, die auf der Route in den Norden liegt. Die NZZ berichtete diese Woche, dass aus dem Ausreisezentrum des Bundes im zürcherischen Embrach beinahe zwei Drittel der Asylsuchenden abtauchen, bevor das Verfahren beendet wurde. In Embrach werden vor allem Flüchtlinge und Migranten untergebracht, die wenig Aussicht auf Asyl haben.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärte der NZZ, dass seit der Eröffnung des Ausreisezentrums Embrach 649 Eintritte registriert wurden, davon reisten 309 Personen «unkontrolliert ab». Wohin die Asylsuchenden reisen, entzieht sich offiziell der Kenntnis der Behörden. Hinter vorgehaltener Hand sagen die Verantwortlichen aber: Die meisten reisen nach Deutschland weiter.
Die meisten Migranten nutzen die Schweiz als Transitland
Insider räumen ein, dass die Schweizer Asylpolitik nicht zuletzt darum so entspannt ist, weil die meisten Flüchtlinge und Migranten die Schweiz lediglich als Transitland nutzen. Das war schon in der Vergangenheit so: Im 2016 wurde bekannt, dass in einzelnen Asylzentren 90 Prozent der Bewohner vor Abschluss des Asylverfahrens nach Norden weiterreisen.
Zugleich droht der Chef der rechtspopulistischen Lega und frischgebackene italienische Innenminister Matteo Salvini (45), Tausende Migranten aus Italien zu vertreiben. Das brächte die Schweiz in eine ernste Situation: ein starker Zustrom aus Italien bei gleichzeitig geschlossenen deutschen Grenzen. Bislang habe man keine Anzeichen, dass Rom seine Ankündigung tatsächlich wahr macht, heisst es im SEM. Die Situation sei aktuell nicht angespannt, könne sich aber jederzeit ändern, erklärt ein Mitarbeiter des SEM im Tessin.