Welche Kantone helfen, die horrenden Kosten zu schultern
Sozialhilfe-Chaos lässt Gemeinden leiden

Für viele Gemeinden ist die Sozialhilfe ein Kostenfaktor, der sich immer mehr zum Albtraum entwickelt. Es kommt aber sehr darauf an, wo die Gemeinde liegt: Einige Kantone nämlich helfen, die Last zu schultern.
Publiziert: 20.02.2018 um 14:15 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2020 um 17:39 Uhr
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In Genf zahlt der Kanton 100 Prozent der Sozialhilfe.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Die Sozialhilfe hat sich vielerorts zu einem der drängendsten Probleme der Gemeinden entwickelt. Im SonntagsBlick klagte Martina Bircher (33), Sozialvorsteherin in Aarburg AG, dass die Kosten ihre Gemeinde an die Grenze zur Zahlungsunfähigkeit bringen würden.

Damit ist sie nicht allein. Seit Jahren klagen Städte und Gemeinden über die steigenden Kosten für Sozialhilfebezüger. Wo die Städte unter der grossen Anzahl an Fällen ächzen, reichen in kleinen Landgemeinden schon ein paar wenige Einzelfälle aus, um die Kasse zu leeren.

Quote stagniert, Kosten steigen

Dabei hat die Sozialhilfequote – die angibt, wie viele der Einwohner auf Sozialhilfe angewiesen sind – in den letzten zehn Jahren gar nicht zugenommen. Stattdessen stagniert sie bei rund drei Prozent. Dennoch sind die Kosten dramatisch gestiegen: Von 1,7 Milliarden im Jahr 2005 auf 2,6 Milliarden im 2015.

Das hat vor allem damit zu tun, dass immer mehr Personen allein leben – Familien bekommen pro Person weniger Sozialhilfe als ein Single. Auch die wachsende Zahl von Alleinerziehenden trägt zum Anstieg der Sozialhilfekosten bei (BLICK berichtete).

Von Kanton zu Kanton unterschiedlich

Allerdings: Nicht überall ist die Situation gleich dramatisch. Das hat, neben Standortfaktoren wie Wirtschaftskraft, Lohn- und Preisniveau, auch mit den Finanzflüssen zu tun. Denn nicht überall müssen die Gemeinden die Kosten allein berappen. Vielerorts hilft der Kanton, die Last zu tragen, wie neuste Zahlen zeigen, die BLICK vorliegen. In Glarus und Genf kommt er ganz allein für die Sozialhilfe auf. Im Tessin, dem Jura und Appenzell-Innerrhoden zahlt der Kanton zumindest mehr als die Hälfte (siehe Grafik).

Und im Aargau? Bis letztes Jahr zahlte der Kanton 28 Prozent der Sozialhilfekosten. Seit 1. Januar müssen die Gemeinden das nun vollumfänglich selbst stemmen. Die Gemeindekasse von Aarburg dürfte künftig noch mehr unter Druck kommen.

Ein Drittel für die Sozialhilfe

Gemäss Bircher muss die Gemeinde schon heute ein Drittel ihrer Steuerereinnahmen für die Sozialhilfe verplanen. Auch hier ist sie nicht allein. Im Kanton Luzern ging 2014 mehr als ein Drittel aller Ausgaben auf Gemeindeebene in die soziale Wohlfahrt.

Mit besonders vielen Sozialhilfebezügern zu kämpfen haben grössere Städte. Unangefochten auf Platz 1 der Städte mit der höchsten Sozialhilfequote liegt seit Jahren Biel BE. Dort waren 2016 fast 12 Prozent der Einwohner von der Sozialhilfe abhängig, gefolgt von Lausanne (8,8%) und Basel (6,7%).

Ein Bundesgesetz? Nein danke!

Die Städte fordern darum schon lange schweizweite Regelungen. Voraussetzungen, Leistungen und Finanzierung sollten einheitlich geregelt sein, findet die Städteinitiative Sozialpolitik. Die Gemeinden wollen davon aber nichts wissen. Sie fürchten, an Einfluss zu verlieren. Und auch die Kantone klemmen: Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren lehnt ein Bundesgesetz ab.

«Die Sozialhilfe ist viel zu lukrativ»

BLICK: Frau Bircher, wie stark belastet die Sozialhilfe die Gemeindekasse von Aarburg AG?
Martina Bircher:
Massiv! Ein Drittel der Steuereinnahmen geht direkt in die Sozialhilfe.

Welche Investitionen bleiben deshalb liegen?
Investitionen in die Schule und Strassen, die man viel mehr überdenken muss. Weil einfach die finanziellen Mittel fehlen.

Was könnten Sie tun, wenn Familien über Jahrzehnte hinweg Sozialhilfe empfangen?
In solchen Fällen ist das Amt für Migration gefordert. Die Aufenthaltsbewilligungen zu überprüfen, zu entziehen, keine Verlängerungen mehr zu geben. Aber als Gemeinde selber ist man machtlos.

Sinkt die Akzeptanz von Flüchtlingen in Aarburg wegen der hohen Sozialhilfekosten?
Das ist schwierig zu beurteilen. Man muss schon sehen, dass es jetzt vor allem Eritreer hat.  Gemäss Sommaruga sind dies ja wirklich alles Flüchtlinge, die an Leib und Leben bedroht sind. Aber wir machen einfach andere Erfahrungen.

Müsste man das Gesetz ändern, damit diese Leute früher oder anders arbeiten könnten?
Während dem Asylverfahren schaut man ja an, ob es sich um echte Flüchtlinge handelt oder nicht. Während dieser Zeit muss niemand arbeiten. Nachher müssen sie ja wieder heim, wenn sie keine Flüchtlinge sind. Falls sie als Flüchtlinge anerkannt werden dürfen sie arbeiten, das ist heute schon so – da hat man die gesetzlichen Grundlagen. Das Problem ist, dass die Sozialhilfe viel zu lukrativ ist. Dort muss man das Gesetz ändern.

Martina Bircher (33, SVP), Sozialvorsteherin von Aarburg AG

BLICK: Frau Bircher, wie stark belastet die Sozialhilfe die Gemeindekasse von Aarburg AG?
Martina Bircher:
Massiv! Ein Drittel der Steuereinnahmen geht direkt in die Sozialhilfe.

Welche Investitionen bleiben deshalb liegen?
Investitionen in die Schule und Strassen, die man viel mehr überdenken muss. Weil einfach die finanziellen Mittel fehlen.

Was könnten Sie tun, wenn Familien über Jahrzehnte hinweg Sozialhilfe empfangen?
In solchen Fällen ist das Amt für Migration gefordert. Die Aufenthaltsbewilligungen zu überprüfen, zu entziehen, keine Verlängerungen mehr zu geben. Aber als Gemeinde selber ist man machtlos.

Sinkt die Akzeptanz von Flüchtlingen in Aarburg wegen der hohen Sozialhilfekosten?
Das ist schwierig zu beurteilen. Man muss schon sehen, dass es jetzt vor allem Eritreer hat.  Gemäss Sommaruga sind dies ja wirklich alles Flüchtlinge, die an Leib und Leben bedroht sind. Aber wir machen einfach andere Erfahrungen.

Müsste man das Gesetz ändern, damit diese Leute früher oder anders arbeiten könnten?
Während dem Asylverfahren schaut man ja an, ob es sich um echte Flüchtlinge handelt oder nicht. Während dieser Zeit muss niemand arbeiten. Nachher müssen sie ja wieder heim, wenn sie keine Flüchtlinge sind. Falls sie als Flüchtlinge anerkannt werden dürfen sie arbeiten, das ist heute schon so – da hat man die gesetzlichen Grundlagen. Das Problem ist, dass die Sozialhilfe viel zu lukrativ ist. Dort muss man das Gesetz ändern.

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