Weil sie für die Versorgung von Kriegspatienten in der Ukraine gebraucht werden
Schmerzmittel und Antibiotika werden in der Schweiz knapp

Schon zuvor waren starke Schmerzmittel und Antibiotika Mangelware in der Schweiz. Doch weil diese Medikamente im Ukraine-Krieg besonders häufig gebraucht werden, verschärft sich bei uns die Situation. Der Bund greift auf Pflichtlager zurück.
Publiziert: 03.04.2022 um 11:37 Uhr
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Aktualisiert: 03.04.2022 um 12:16 Uhr
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Der Krieg in der Ukraine verschärft den Mangel an ...
Foto: AFP

Die Schweiz muss auf ihre Notvorräte zurückgreifen. Denn wie das Bundesamt für Landesversorgung (BWL) mitteilt, werden bei uns die Medikamente knapp. Viele Arzneimittel werden aktuell für die Versorgung von Kriegspatienten in der Ukraine gebraucht.

Der Pharmaexperte Enea Martinelli warnt in der «SonntagsZeitung»: «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wichtige Medikamente gar nicht mehr erhältlich sind.»

Viele Mittel gespendet

Einer der Apotheker, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine spontan entschieden haben, Medikamente zu spenden, ist Thong Vo. Der Chef der Apotheke zum Kreuz in Olten SO bestellte laut der Zeitung zusammen mit einem Spital Medikamente für 20’000 Franken, die die Ukraine dringend benötigt. Doch etliche Arzneimittel waren gar nicht erhältlich. Für Vo ist klar: «Es gibt verschärfende Versorgungsengpässe bei wichtigen Medikamenten. Und dieser Krieg wird es bald noch sehr viel schlimmer machen.»

Grosse Engpässe befürchtet auch das BWL wegen des Kriegs. Die Beamten schreiben in ihrem aktuellsten Lagebericht: Die Versorgung mit Medikamenten sei zwar «grösstenteils» noch sichergestellt. Allerdings sei «der Markt unter Druck». Kritisch ist die Lage bei Antibiotika und starken Schmerzmitteln.

Pflichtlager angezapft

Für wichtige Medikamente wie Schmerzmittel und Antibiotika schreibt der Bund Pflichtlager vor. Diese muss die Schweiz laut dem Bericht derzeit anzapfen. Dass genau diese Mittel in die Ukraine gehen, ist kein Zufall: «In Kriegsgebieten steigt der Verbrauch unter anderem von starken Schmerzmitteln und Antibiotika wegen Kriegsverletzungen an», wird BWL-Sprecher Thomas Grünwald zitiert.

Die Versorgungslage bei starken Schmerzmitteln und Antibiotika war in der Schweiz schon vor Kriegsausbruch in der Ukraine angespannt. Da diese Medikamente im Kriegsgebiet aktuell aber besonders häufig benötigt werden, verschärft das die Situation in der Schweiz.

Brexit und Corona

Dass opioidhaltige Schmerzmittel schon vor Kriegsausbruch Mangelware waren, sei eine Folge des Brexit, sagt Martinelli, Chefapotheker der Berner Spitalgruppe FMI. Der Schweizer Hauptlieferant für diese Medikamente sei der englische Pharmakonzern Mundipharma. Dort stocke die Produktion wegen des Fachkräftemangels nach dem Austritt der Briten aus der EU.

Kommt hinzu: In Europa kämpfen Krankenhäuser und Mediziner schon länger mit Lieferengpässen bei Arzneimitteln, da der Markt stark von China und Indien abhängig ist. So werden dort 90 Prozent der Nachahmermedikamente, also der Generika, hergestellt. Aufgrund der Corona-Pandemie bestehen bei der Liefer- und Produktionskette wegen der Corona-Pandemie Schwierigkeiten.

Pflichtlager leeren sich

Der Pharmaexperte macht sich Sorgen, dass mit dem Krieg in der Ukraine nun ein weiterer negativer Faktor dazukommt. «Wir müssen damit rechnen, dass plötzlich selbst die Pflichtlager aufgebraucht sind.» Für Martinelli ist es nur eine Frage der Zeit, bis wichtige Medikamente gar nicht mehr erhältlich sind bei uns. (pt)


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