Der Abgas-Skandal zieht weitere Kreise. Wenige Tage, bevor Deutschlands Verkehrsminister Alexander Dobrinth die Bundesländer nach Berlin zum Diesel-Gipfel empfängt, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart ein wohl wegweisendes Urteil gefällt: Es verlangt ein Diesel-Fahrverbot in der süddeutschen Stadt ab dem 1. Januar. Eine drastische Massnahme.
Parlamentarier blitzen ab
In der Schweiz bewegt sich wenig. Beim Bundesrat blitzen Parlamentarier, die Massnahmen gegen die Luftverschmutzung durch Abgase fordern, regelmässig ab. Die Landesregierung verweist dann gern auf Brüssel: «Weil die Abgasgesetzgebung EU-weit gilt und auch für die Schweiz angewendet wird, ist es im Lichte der aktuellen Ereignisse indessen wichtig, dass der EU-Gesetzgeber aktiv wird», heisst es beispielsweise auf einen Vorstoss des Obwaldner CVP-Nationalrats Karl Vogler (61).
Der Forderung der Grünen, dass ab 2025 Verbrennungsmotoren verboten sein sollen, wird es wohl ähnlich ergehen. Ein Unding, findet alt Nationalrätin Aline Trede (33). Die Grüne ist immer noch Präsidentin des Vereins für menschenfreundliche Fahrzeuge, der 2008 die Offroader-Inititiave eingereicht hatte.
Das Volksbegehren forderte ein Verbot von Fahrzeugen, die die Umwelt überdurchschnittlich stark belasten, wurde aber nach einem indirekten Gegenvorschlag zurückgezogen.
Offroader-Initianten sehen sich getäuscht
Trede sieht sich nun getäuscht: «Im Gegenvorschlag zur Offroader-Initiative wurde uns versprochen, dass Strafen für das Nichteinhalten von Grenzwerten kommen», sagt sie. Doch die aktuellen Massnahmen würden nicht ausreichen. «Erstens gibt es keine Sanktionen bei den viel zu hohen Stickoxid-Emissionen. Und zweitens weiss niemand, ob nicht auch bei den CO2-Werten betrogen wird. Denn eines zeigen die neusten Entwicklungen: Die Autohersteller sind in kriminelle Machenschaften verwickelt.»
Sie fordert daher ein sofortiges Dieselverbot. Ausserdem solle die Schweiz die Schadstoffnachweise nicht mehr von der EU übernehmen, sondern selbst Prüfungen durchführen. «Wir haben das Know-how, die Emissionstests selbst zu machen, sowohl für CO2 als auch für Stickoxide.»
«Der Konsument wird über den Tisch gezogen»
Das findet auch Bastien Girod (36), der der Offroader-Inititiative seinen Einzug ins Parlament verdankt. «Die Konsumenten wurden und werden systematisch über den Tisch gezogen», so der grüne Nationalrat. Der Bund müsse nun aktiv werden, fordert er.
Er sollte beispielsweise die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) beauftragen, die meistverkauften Modelle auf ihre wahren Emissionen zu überprüfen. «Werden die gesetzlichen Grenzwerte überschritten, muss das publik gemacht und die Hersteller in die Verantwortung genommen werden.»
Autoschweiz warnt vor Aktionismus
Bei Autoschweiz, dem Verband der Autoimporteure, sieht man solche Forderungen kritisch. «Durch Management-Fehler in der deutschen Automobilindustrie wurde viel Vertrauen verspielt», gibt Direktor Andreas Burgener (54) zu. «Aber das gewinnen wir nicht durch Aktionismus zurück.»
Er setzt darauf, dass Neuwagen ab September einen Abgastest bestehen müssen, der die realen Bedingungen auf der Strasse besser abbilden soll. «Dann wird der Autokäufer wieder wissen, was er kauft.»
«Innovation hat sich bewährt»
Von Verboten hält er nichts. «Auch die Dampflok wurde nicht verboten, sondern durch eine bessere Technologie abgelöst. Innovation hat sich bewährt, daran sollten wir festhalten.» Das überzeugt Trede nicht. «Mit dem Verweis auf technologischen Fortschritt wird die Autoindustrie das Vertrauen der Konsumenten sicher nicht zurückgewinnen», prophezeit sie der Autobranche.