Wo kein Kläger, da kein Richter, sagt ein Sprichwort. Umgekehrt gilt bezogen auf die Gerichte der Eidgenossenschaft: Weil es ganz viele Kläger gibt, haben die Richter ganz viel zu tun.
Mit 8029 neuen Fällen erreichte die Geschäftslast des Bundesgerichtes 2017 einen absoluten Höchststand (Vorjahr: 7743). Gewachsen ist auch der Berg unerledigter Fälle: Die Richter schlossen 2017 nur 7782 Verfahren ab (2016: 7811). Und weil es schon in früheren Jahren Überträge gab, warteten auf die Richter am ersten Arbeitstag 2018 bereits 3004 Fälle.
Die Richter rufen nach Entlastung
Die Bundesrichter schlagen Alarm: Jegliche Mehrbelastung sei nicht mehr vertretbar. Eine «markante Entlastung des Bundesgerichts» werde immer vordringlicher, «um die Qualität der Rechtspflege zu sichern», schreiben sie im Geschäftsbericht der Gerichte der Eidgenossenschaft.
Überlastet sind auch das Bundesstrafgericht, das Bundesverwaltungsgericht sowie das Bundespatentgericht. Auch in ihren Abteilungen ist das Geschäftsvolumen deutlich gestiegen, und nirgends konnten die hängigen Verfahren komplett abgebaut werden.
Die Klagenflut hat Gründe
Der Bericht lässt Gründe erkennen, weshalb so viele Kläger den Richtern in Lausanne, Luzern, St. Gallen und Bellinzona die Türen einrennen.
So kritisieren die Bundesrichter, dass die Eingänge in der strafrechtlichen Abteilung besonders stark steigen (2017: 2057 Neueingänge). Dies hat einen direkten Zusammenhang mit der Politik in Bern: Diese schafft immer neue beklagbare Strafbestände, verbessert die Aussichten der Beschwerdeführer und ist gerade dabei, die Hürden zu den Gerichten weiter zu senken.
Mit Folgen auch für die zivilrechtliche und die beiden öffentlich-rechtlichen Abteilungen des Bundesgerichts. So hat der Bundesrat vor zwei Wochen vorgeschlagen, Privaten und Unternehmen den Zugang zu den Zivilgerichten zu erleichtern. Konkret will er die Prozesskostenvorschüsse halbieren. Zudem will er den kollektiven Rechtsschutz stärken, indem er künftig Gruppenvergleiche ermöglicht.
Ein weiterer Grund für die Klagenflut ist die verunglückte Revision des Bundesgerichtsgesetzes von 2007. Sie habe ihren Zweck nicht erfüllt, heisst es im Geschäftsbericht. Von einer Entlastung könne nicht die Rede sein.
Am Bundesverwaltungsgericht sorgen zudem die kürzeren Behandlungsfristen im Asylgesetz für Sorgenfalten. Diese treten Anfang 2019 in Kraft. Hier wurden befristet vier zusätzliche Richterstellen genehmigt, um wenigstens die bisher liegen gebliebenen Fälle abzubauen.
Mit den Gerichtsgebühren ist der kleinste Teil bezahlt
Die viele Mehrarbeit zahlt sich für die Eidgenossenschaft nicht aus. In der Rechnung des Bundesgerichts mit seinen 319,6 Vollzeitstellen stehen Ausgaben und Investitionen in der Höhe von 93 Millionen Franken Einnahmen von nur rund 14 Millionen Franken gegenüber. Der Deckungsgrad betrug 15,2 Prozent.
Noch trüber sieht es beim Bundesstrafgericht (Deckungsgrad: 7,7 Prozent; 58,2 Vollzeitstellen) sowie beim Bundesverwaltungsgericht (5,2 Prozent; 382,8 Vollzeitstellen) aus. Nur das Bundespatentgericht schreibt eine bessere Rechnung (44,3 Prozent; 5,75 Vollzeitstellen).