Weil diese drei Nationalräte fehlten, wird der Alpenschutz torpediert
Gotthard-Gate bei den Grünen

Gestern fehlten drei Grüne-Fraktionsmitglieder im Saal. Darum konnte der Nationalrat ein FDP-Postulat mit 91 zu 90 Stimmen äusserst knapp überweisen. Es will das Verlagerungsziel von maximal 650'000 alpenquerenden Lastwagenfahrten torpedieren.
Publiziert: 03.03.2016 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 14:18 Uhr
Hatten leider keine Zeit für Abstimmungen im Nationalrat: Daniel Brélaz VD und Denis de la Reussille NE (r.) mussten an Sitzungen in den Kantonen teilnehmen  – Sibel Arslan BS liess sich von der SRF-«Rundschau» filmen.
Foto: Keystone
Ruedi Studer und Christof Vuille

Nur drei Tage nach dem Ja zur zweiten Gotthardröhre nimmt der Nationalrat den Alpenschutz ins Visier: Gestern Abend überwies er mit 91 zu 90 Stimmen ein FDP-Postulat, welches eine Überprüfung des Verlagerungsziels fordert. Dieses sieht vor, dass ab 2018 jährlich noch maximal 650'000 Lastwagen die Alpen überqueren dürfen – letztes Jahr war es noch rund eine Million.

Das geltende Verlagerungsziel sei nicht realistisch, so die FDP. Auch die SVP schloss sich dieser Meinung an. Grünen-Chefin Regula Rytz hatte zuvor vergeblich an die Tunnel-Befürworter appelliert, dass sie nun Wort halten müssten. «In der Debatte rund um die zweite Gotthardröhre wurde von Ihrer Seite immer wieder betont, dass man an der Alpen-Initiative und an der Verlagerungspolitik festhalten wolle. Dieses Postulat setzt genau diese Ziele nun aufs Spiel.»

Auch SVP-Giezendanner für Aufweichung

Einige ihrer bürgerlichen Ratskollegen hatte sie diesbezüglich am Morgen noch gezielt ins Gebet genommen – so etwa auch SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner AG. Der hatte im Abstimmungskampf immer wieder betont, dass er für die Verlagerungspolitik einstehe. Trotzdem stimmte er gestern dem Verwässerungs-Postulat zu.

Rollen fast ununterbrochen: Lastwagen in der Leventina.
Foto: Keystone

«Ich stehe zur Verlagerungspolitik», sagt Giezendanner heute zu BLICK. Die geltende Obergrenze hätten sich die Grünen aber selbst eingebrockt. Zentral sei für ihn, den Druck auf Italien und Deutschland aufrecht zu erhalten, damit diese die Zulaufstrecken endlich bauen würden. Mit dem Postulat solle der Bundesrat bloss eine realitätsbezogene Einschätzung abgeben.

«Ich selbst habe ja ohnehin kein Interesse an mehr Lastwagen auf der Strasse», erklärt er. Sonst würden seine Fahrer mehr im Stau stehen, fügt der Transport-Unternhemer an.

Drei grüne Fraktionsmitglieder fehlten

Allerdings, es lag nicht bloss an der Ratsrechten, dass das Postulat durchkam. Ausgerechnet die Grünen hätten es in den eigenen Händen gehabt, das Resultat zu ihren Gunsten zu kehren. Drei Fraktionsmitglieder – und damit ein Viertel der grünen Fraktion – verpassten die wichtige Abstimmung: Sibel Arslan (BS), Daniel Brélaz (VD) und PdA-Mann Denis de la Reussille (NE). Mit diesen drei Stimmen hätte das Resultat 93 zu 91 gelautet. Eine grüne Gotthard-Panne!

Doch Rytz, die gestern ihren 54. Geburtstag feierte, nimmt ihre Leute in Schutz: «Brélaz sitzt in der Exekutive von Lausanne und de la Reussille in jener von Le Locle, sie waren wegen einer Regierungssitzung abwesend. Und Sibel Arslan musste früher weg, weil sie schon länger einen ‹Rundschau›-Live-Auftritt zum Thema Integration zugesagt hatte.»

Also keine peinliche Panne? «Nein. Wenn etwas peinlich ist, dann das, dass die FDP ihr unnötiges Postulat nicht zurückgezogen hat», wehrt Rytz ab. Man habe zudem lange nicht gewusst, wie sich die CVP verhalten werde und ob das Geschäft überhaupt noch an diesem Tag behandelt würde. Es kam schliesslich ganz zuletzt am Abend doch noch an die Reihe. Rytz’ Fazit: «Hätten die Gotthardbefürworter Wort gehalten, dann hätte es keine einzige Stimme von uns gebraucht.»

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