CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (66) wurde deutlich. «Wir haben Handlungsbedarf!», sagte sie. Die zurückgehende Biodiversität und die sinkende Qualität des Grundwassers machten deutlich, dass dringend etwas gegen das Pestizidproblem in der Schweiz getan werden müsse.
Und die Zürcherin scheute sich nicht, die Schuldigen zu nennen: die Bauern. Riklin hält ihnen Zahlen des Bundesamts für Umwelt vor. Demnach liegt die Konzentration von Pestizid-Wirkstoffen und deren Abbauprodukten im Grundwasser an jeder fünften Messstelle über 0.1 Mikrogramm pro Liter – dem gesetzlichen Grenzwert für Pestizid-Wirkstoffe (siehe Karte). Bei Abbauprodukten handelt es sich um möglicherweise giftige Überreste dieser. In Regionen mit vielen Landwirtschaftsbetrieben, zum Beispiel im Mittelland, wird der Wert sogar in 70 Prozent der Fälle überschritten.
Debatte dauerte neun Stunden
Es war eine von ganz vielen Zahlen, die den Nationalräten in den vergangenen Tagen um die Ohren flogen. Insgesamt geschlagene neun Stunden dauerte die Debatte um die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative im Nationalrat. Am Schluss lehnte eine Mehrheit die Volksbegehren ab. Auch ein indirekter Gegenvorschlag, der als Kompromiss zur Diskussion stand, fiel durch.
An der Urne haben die Vorlagen aber durchaus Chancen, vor allem die Trinkwasser-Initiative (siehe Textkasten). Zwar ist die Wasserqualität in der Schweiz noch hoch. Doch die Trinkwasserversorger warnen, dass es immer schwieriger werde, sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. «Die Pestizidbelastung wird in immer mehr Regionen zu einem Problem», sagt André Olschewski, Verantwortlicher des Bereichs Wasser beim Verein der Gas- und Wasserversorger (SVGW). Wegen einer zu hohen Pestizidkonzentration hätten vereinzelt bereits Trinkwasserfassungen geschlossen werden müssen.
Pestizide könnten krebserregend sein
Wie gefährlich die Pestizidrückstände im Grundwasser für den Menschen sind, darüber streiten Fachleute. Klar ist: 80 Prozent unseres Trinkwassers ist Grundwasser. Und darin findet sich oftmals ein ganzer Cocktail an Pestiziden, deren Wirkung im Einzelnen bekannt, aber nicht in Kombination erforscht ist.
Und was bekannt ist, kann nicht beruhigen: Glyphosat, das am häufigsten eingesetzte Pestizid, stuft die internationale Agentur für Krebsforschung als «möglicherweise krebserregend» ein. Der Bund beschwichtigt, man müsse die Dosis berücksichtigen, die ein Mensch tatsächlich zu sich nimmt.
Auch das häufig eingesetzte Pilzbekämpfungsmittel Chlorothalonil steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Die EU hat kürzlich ein Verbot beschlossen, die Schweiz will folgen.
Erst vor gut einer Woche hat das Bundesamt für Landwirtschaft zudem die Bewilligungen für 26 Pflanzenschutz-Produkte mit den Wirkstoffen Chlorpyrifos und Chlorpyrifos-methyl widerrufen. Bis zu 15 Tonnen solcher Pestizide sind in den letzten Jahren auf Schweizer Feldern versprüht worden – pro Jahr. Nun fand man heraus, dass die Wirkstoffe zu Hirnschäden bei Kleinkindern und Embryos führen können.
Bauernverband jubelt – noch
Angesichts dieser Erkenntnisse zieht sogar der Trinkwasserverband – kein Verein radikaler Umweltschützer – in Erwägung, die Pestizid-Initiativen zu unterstützen. Zwar gehen ihm diese eigentlich viel zu weit. Doch wenn das Parlament nicht doch noch einen Gegenvorschlag zustande bringt, der die Bauern zur Pestizidreduktion verpflichtet, seien sie die einzigen politischen Optionen, die konkrete Verbesserungen für das Trinkwasser bringen, sagt Olschewski.
Damit würde wahr werden, wovor in der Debatte mehrfach gewarnt wurde: Kommen die Initiativen ohne gemässigten Gegenvorschlag vors Volk, steigen ihre Erfolgsaussichten.
Zwar jubeln die Bauern noch. «Es war eine sehr intensive Debatte», sagt Bauernpräsident Markus Ritter (52, CVP). Das Ergebnis sei aber so, wie man es sich gewünscht habe. Auch die Landwirte unterstützen das Ziel und damit den Aktionsplan des Bundesrates, um die Pestizidbelastung weiter zu reduzieren, beteuert er. Den Beweis blieben sie schuldig. Das könnte sich rächen.
Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative kommen zwei Vorlagen an die Urne, die sich thematisch sehr ähnlich sind. Deshalb wurden sie im Parlament auch gemeinsam behandelt und werden im kommenden Jahr am gleichen Datum zur Abstimmung vorgelegt.
Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin und Mutter Franziska Herren (52). Sie will, dass nur noch Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Zudem müssen sie die Tiere mit hofeigenem Futter versorgen und dürfen keine Antibiotika prophylaktisch verwenden. Die Pestizid-Initiative, hinter der ein Bürgerkomitee aus der Westschweiz steht, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide. Es soll auch für Importe gelten.
Der Bundesrat lehnt beide Initiativen ab und wollte auch keinen Gegenvorschlag formulieren. Er warnt davor, dass die Initiativen kontraproduktiv sein könnten – zum Beispiel, weil Bauern aus dem Direktzahlungssystem aussteigen und dann mehr statt weniger Pestizide einsetzen würden.
Mit der Trinkwasser- und der Pestizid-Initiative kommen zwei Vorlagen an die Urne, die sich thematisch sehr ähnlich sind. Deshalb wurden sie im Parlament auch gemeinsam behandelt und werden im kommenden Jahr am gleichen Datum zur Abstimmung vorgelegt.
Hinter der Trinkwasser-Initiative steht Fitnesstrainerin und Mutter Franziska Herren (52). Sie will, dass nur noch Bauern Direktzahlungen erhalten, die keine Pestizide verwenden. Zudem müssen sie die Tiere mit hofeigenem Futter versorgen und dürfen keine Antibiotika prophylaktisch verwenden. Die Pestizid-Initiative, hinter der ein Bürgerkomitee aus der Westschweiz steht, ist noch extremer und will ein komplettes Verbot synthetischer Pestizide. Es soll auch für Importe gelten.
Der Bundesrat lehnt beide Initiativen ab und wollte auch keinen Gegenvorschlag formulieren. Er warnt davor, dass die Initiativen kontraproduktiv sein könnten – zum Beispiel, weil Bauern aus dem Direktzahlungssystem aussteigen und dann mehr statt weniger Pestizide einsetzen würden.