Bündner Gemeinde will Wanderwege sperren
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Weil Wolf Kühe aggressiv macht:Bündner Gemeinde will Wanderwege sperren

Weil der Wolf die Kühe aggressiv macht
Bündner Gemeinde will Wanderwege sperren

Schlechte Neuigkeiten für Feriengäste in Graubünden: Die Gemeinde Lumnezia will einen Teil der Wanderwege sperren. Weil der Wolf die Nutztiere «aggressiv» mache.
Publiziert: 07.07.2020 um 17:47 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2020 um 15:59 Uhr
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Die Greina-Ebene in Graubünden ist ein Wanderparadies.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Bergwelten statt Strandvergnügen: Wegen Corona verbringen mehr Schweizer die Sommerferien in der Heimat. Insbesondere Wanderregionen profitieren. Die Destinationen reagieren – mit einer Werbekampagne macht etwa Graubünden Ferien Lust auf Bewegung in der Bündner Bergwelt.

Doch diese könnte jetzt jäh gestoppt werden. Die Gemeinde Lumnezia in der Surselva plant, Wander- und Bikewege zu sperren, darunter auch auf der bekannten und beliebten Greina-Ebene, wie Gemeindepräsident Duri Blumenthal (62) bestätigt.

Der Wolf verschreckt die Mutterkühe

Schuld sei der Wolf: Im Gebiet der Gemeinde bewegen sich mehrere Rudel. Sie verschrecken aber nicht in erster Linie die Wanderfreunde, sondern die Schaf- und Kuhherden auf den Alpen. Insbesondere Mutterkühe reagierten wegen der Bedrohung durch den Wolf generell angriffiger. «Die Anwesenheit des Wolfs macht die Tiere aggressiver», erklärt Blumenthal. Und das wiederum könne Wanderer und Biker gefährden, wenn ihre Ausflüge über Alpweideland führen.

Blumenthal sagt, dass im Frühjahr sogar Landwirte die Flucht ergreifen mussten, um nicht von der eigenen anstürmenden Kuhherde überrannt zu werden.

Nun sieht die Gemeinde sich zum Handeln gezwungen. In einem ersten Schritt werden die Wege speziell signalisiert, um die Wanderer und Biker besser über den Umgang mit den Kuhherden und Herdenschutzhunden zu informieren. Das Mitführen von Hunden ist auf solchen Wegen gar untersagt. Die Familie kann zwar vorerst noch ihren Rucksack packen, ihren Vierbeiner muss sie aber zu Hause lassen.

«Sicherheit geht vor»

Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es dennoch zu Zwischenfällen zwischen Mensch und Mutterkuh kommt – und dann lassen die Bündner die Wanderwege sperren. «Die Sicherheit der Bevölkerung vor diesen Gefahren hat höchste Priorität», begründet Blumenthal diese Massnahme.

Dass die Sperrung eine drastische Einschränkung für die Gäste bedeutet, ist ihm natürlich bewusst. Lumnezia ist ein Wander- und Bikeparadies, sagt er. Die Wege über die Alpweiden seien weit herum bekannt und sehr beliebt. Weil die Bündner aber über ein grosses Wanderwegnetz verfügen, «ist es unmöglich, alle Wege durch Zäune von den Alpweiden zu trennen.» Solange der Wolf die Kühe bedrohe bleibe nichts anderes übrig, als in der Lumnezia Wanderer und Biker zu schützen.

Vorbote eines heissen Abstimmungskampfes

«Das Beispiel zeigt, dass der Wolf ein Problem ist – nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für den Tourismus», sagt Martin Candinas (39). Der CVP-Nationalrat wohnt in Rabius, einer Nachbargemeinde Lumnezias. Für ihn ist klar: «Wir müssen den Wolfbestand regulieren können.» Erfahrungen zeigten, dass schon ein Abschuss dazu führt, dass die anderen Wölfe sich mehr aus dem Lebensraum der Menschen zurückziehen.

Candinas verweist damit auf das neue Jagdgesetz, das einfachere Abschüsse von Wildtieren wie dem Wolf vorsieht. Am 27. September stimmt die Schweiz darüber ab, weil eine Allianz aus Umweltverbänden und Tierschützern das Referendum gegen das «Abschussgesetz» ergriffen hat. Für Cadinas ist klar: «Es braucht ein Ja zum Jagdgesetz am 27. September.»

Darum geht es beim Jagdgesetz

Eigentlich hätte im Mai über das revidierte Jagdgesetz abgestimmt werden sollen, wegen Corona wurde dies aber auf den 27. September verschoben. Im Gesetz geht es hauptsächlich um den Wolf. Da dessen Bestand sich in den letzten Jahren enorm erhöht hat, sind die bisherigen Instrumente für den Schutz von Mensch und Tier nicht mehr ausreichend, sagen die Befürworter. Bisher entschied der Bund über Abschüsse. Würde das Gesetz angenommen, bliebe der Wolf geschützt, Kantone dürften Wölfe aus Rudeln aber neuerdings (unter bestimmten Bedingungen) erschiessen, bevor sie Schaden anrichten. Damit sollen Wölfe die Scheu vor Menschen, Herden und Siedlungen bewahren. Gleichzeitig würden Bauern verpflichtet, ihre Tiere besser zu schützen. Gegner des Gesetzes sagen, dass es über das Ziel hinausschiesse und andere Tiere ebenfalls in Gefahr gerieten, weil der Bundesrat danach selber entscheiden könnte, welche geschützten Tiere (aktuell nur Steinbock und Wolf) geschossen werden dürfen. (vof)

Eigentlich hätte im Mai über das revidierte Jagdgesetz abgestimmt werden sollen, wegen Corona wurde dies aber auf den 27. September verschoben. Im Gesetz geht es hauptsächlich um den Wolf. Da dessen Bestand sich in den letzten Jahren enorm erhöht hat, sind die bisherigen Instrumente für den Schutz von Mensch und Tier nicht mehr ausreichend, sagen die Befürworter. Bisher entschied der Bund über Abschüsse. Würde das Gesetz angenommen, bliebe der Wolf geschützt, Kantone dürften Wölfe aus Rudeln aber neuerdings (unter bestimmten Bedingungen) erschiessen, bevor sie Schaden anrichten. Damit sollen Wölfe die Scheu vor Menschen, Herden und Siedlungen bewahren. Gleichzeitig würden Bauern verpflichtet, ihre Tiere besser zu schützen. Gegner des Gesetzes sagen, dass es über das Ziel hinausschiesse und andere Tiere ebenfalls in Gefahr gerieten, weil der Bundesrat danach selber entscheiden könnte, welche geschützten Tiere (aktuell nur Steinbock und Wolf) geschossen werden dürfen. (vof)


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