Seit geschlagenen acht Monaten sitzen Gewerkschaften und Arbeitgeber hinter verschlossenen Türen und reden. Sie versuchen, einen Ausweg aus einer Sackgasse zu finden, in die sie sich selbst hineinmanövriert haben. Allen voran die Gewerkschaften wehren sich dagegen, mit dem Rahmenabkommen auch den EU-Lohnschutz zu übernehmen. Und doch braucht es eine Lösung, will man die bilateralen Beziehungen mit Brüssel nicht an die Wand fahren.
Seit acht Monaten herrscht Funkstille – ob die Sozialpartner weiterkommen, ob ihr Vorschlag etwas taugt: Niemand weiss es so genau. FDP-Präsidentin Petra Gössi (44) mag da nicht mehr zuschauen. «Der Bundesrat muss den Sozialpartnern ein Ultimatum setzen», fordert sie. «Spätestens Ende April müssen die Sozialpartner dem Bundesrat ihren Vorschlag präsentieren.»
Ein sehr kurzes Zeitfenster
Gössi ist nicht allein: Auch Eric Nussbaumer (59), SP-Nationalrat und Präsident der Efta/EU-Delegation des Parlaments, fordert einen baldigen Termin, zu dem Arbeitgeber und -nehmer ihre Lösung präsentieren müssen.
Dass beide so auf die Tube drücken, hat einen Grund: Brüssel erwartet rasch Vorschläge der Schweiz, wie das Rahmenabkommen ins Trockene gebracht werden soll. Zur Erinnerung: Der Bundesrat hat im letzten Sommer gesagt, dass er hinter dem ausgehandelten Abkommen stehe, in drei Bereichen aber «Klärungen» verlange:
- Beim Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
- Bei den staatlichen Beihilfen: Im EU-Raum sind staatliche Beihilfen wie Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Für die Schweiz ein Problem: Das könnte etwa auch die Wasserkraft umfassen, die von den Kantonen gefördert wird.
- Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger hierzulande schneller an Sozialhilfe gelangen.
Auf diese Klärungen wartet Brüssel nun fast ein Jahr. Liefert die Schweiz nicht, droht die EU die Anerkennung von Medizinprodukten ab dem 26. Mai nicht mehr zu gewährleisten. Die Medizinaltechnik-Branche könnte dann nicht mehr so einfach in die EU exportieren.
Der Lohnschutz bleibt das letzte Problem
Der Bundesrat steht also unter Druck. Wie BLICK weiss, haben Bundesverwaltung und Kantone für die Unionsbürgerrichtlinie und die Beihilfen eine Lösung gefunden. Wie diese aussehen, soll die Öffentlichkeit nach dem Abstimmungssonntag vom 17. Mai erfahren. Dann nämlich befindet die Schweiz über die Kündigungs-Initiative. Um der SVP nicht unnötig Munition zu liefern, soll das Rahmenabkommen möglichst aus dem Abstimmungskampf herausgehalten werden.
Dennoch dürften die Sozialpartner nicht zuwarten, bis die Abstimmung gelaufen sei, meint Gössi: «Zwischen der Abstimmung und dem 26. Mai verbleiben nur wenige Tage für eine Offensive.» Die Zeit reiche dem Bundesrat nicht, um sein Angebot seriös vorzubereiten. «Deshalb erwarte ich von den Gewerkschaften nun Offenheit – zumindest der Landesregierung gegenüber.»