Es sind die entscheidenden Tage: Drei Wochen vor der Abstimmung über die Konzernverantwortungs-Initiative und die Kriegsgeschäfte-Initiative flattern die Abstimmungscouverts in die Schweizer Briefkästen. Kein Wunder, rühren die Komitees gerade jetzt nochmals laut die Werbetrommel.
«Nein zum Doppelangriff von links», twittert etwa FDP-Ständerat Ruedi Noser (59) über einem Foto seines ausgefüllten Stimmzettels. Noser ist ein vehementer Gegner der Konzernverantwortungs-Initiative, die verlangt, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen Menschenrechte verstossen.
Gekaufte Reichweite
Während Nosers Tweets gegen die Initiative normalerweise von einer Handvoll Personen geteilt werden, verbreitet sich das Foto des Stimmzettels rasend schnell – und wird innert Kürze über 100 Mal geteilt. Es erhält mehr als 300 Likes.
Hat Noser mit seiner Botschaft einfach einen Nerv getroffen? Nein, der Blick in das sogenannte Transparenz-Zentrum von Twitter legt einen anderen Schluss nahe: Der Freisinnige hat die Reichweite gekauft! Noser hat dafür bezahlt, dass sein Tweet auch Menschen ausserhalb seines Kontakt-Netzes erreicht.
Das ist problematisch. Denn Twitter verbietet weltweit bezahlte politische Werbung. «Wir glauben, dass politische Reichweite verdient und nicht gekauft werden sollte», begründete Twitter-Chef Jack Dorsey (43) 2019 den Entscheid, mit dem sich das Unternehmen etwa von Facebook abgrenzt, das politische Werbekampagnen bis heute erlaubt.
Twitter mit US-Wahlen beschäftigt
FDP-Ständerat Noser versteht die Aufregung nicht. «Meiner Ansicht nach handelt es sich nicht um politische Werbung», sagt er. Zudem habe Twitter seine Anzeige genehmigt und ihm eine entsprechende Bestätigung zukommen lassen.
Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass bei Twitter oft nicht Menschen, sondern Computer die Tweets prüfen. «Deutsche Texte in bezahlter Werbung (Paid Ads) sind für das automatisierte Prüfungstool vermutlich schwieriger zu kontrollieren als englische», erklärt Christoph Hess von der Social Media Agentur Kuble. Zudem seien die Twitter-Mitarbeitenden derzeit wohl so stark mit der Präsidentschaftswahl in den USA ausgelastet, dass bezahlte politische Werbung in der Schweiz «unter ihrem Radar» flöge.
Dennoch hat Twitter nun reagiert – und den Schweizer Politiker gestoppt. Auf Nachfrage von BLICK schreibt das Unternehmen, dass Nosers Tweet gegen die politischen Richtlinien verstosse. «Aus diesem Grund wurde das Sponsoring der Kampagne angehalten.»
PR-Agentur wirbt ebenfalls
FDP-Ständerat Noser ist mit seiner unerlaubten Twitter-Aktion nicht allein. Auch die Plattform Succès Suisse, die von der PR-Agentur Furrerhugi betreut wird und zu deren Trägern Noser gehört, sponserte Mitte Oktober bereits politische Werbung auf Twitter.
«Für uns war es eine Art ‹Versuchsballon›», sagt Lobbyist Andreas Hugi (49). Man habe damals allerdings einen Hintergrundartikel zur Konzernverantwortungs-Initiative und keine Abstimmungsparole beworben. Ganz geheuer ist die heikle Aktion der PR-Agentur aber selbst nicht. «Jetzt, in der heissen Phase des Abstimmungskampfs, verzichten wir auf bezahlte Twitter-Werbung», sagt Hugi.
Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.
Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.
Dafür sind neben den über hundert Nichtregierungsorganisationen, welche die Initiative ergriffen haben, SP, Grüne, GLP, EVP und BDP. Dazu kommt ein bürgerliches Komitee mit Vertretern von CVP und FDP.
BLICK beantwortet hier die wichtigsten Fragen zur Initiative.
Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzernverantwortungs-Initiative ab. Sie will, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz dafür haften, wenn sie, ihre Tochterfirmen oder andere kontrollierte Unternehmen im Ausland gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstossen. Im Rahmen einer Sorgfaltsprüfung müssen Unternehmen künftig mögliche Risiken erkennen und geeignete Massnahmen dagegen ergreifen. Diese Sorgfaltspflicht gilt für alle Unternehmen in der Lieferkette.
Dagegen sind Bundesrat und Parlament. Sie argumentieren, dass ein Ja ein Alleingang der Schweiz wäre, der vor allem dem Wirtschaftsstandort schaden würde. Dem Nein-Lager gehören CVP, FDP und SVP an, dazu kommen die Wirtschaftsverbände, allen voran der Dachverband Economiesuisse. Sie befürchten eine Schwächung der Schweizer Unternehmen, den Rückzug von KMU aus Entwicklungsländern, zu viel Bürokratie und erpresserische Klagen.
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