Die Kritik von Aussenminister Ignazio Cassis (57) am Uno-Hilfswerk für Palästinenser sorgte über die Landesgrenzen hinaus für Wirbel. Der FDP-Bundesrat hatte das Flüchtlingshilfswerk als «Teil des Problems» im Nahostkonflikt bezeichnet, weil es bei palästinensischen Flüchtlingen die Hoffnung aufrecht erhalte, dass sie eines Tages in ihre Heimat, aus der sie wegen des Krieges 1948 fliehen mussten, zurückkehren könnten.
Nicht nur die Palästinenser waren empört. Auch Diplomaten waren irritiert. Und der Bund sah sich genötigt, in einer Stellungnahme zu betonen, dass sich an der Nahost-Politik der Schweiz nichts geändert habe.
Nun äussert sich mit Micheline Calmy-Rey (72) eine Vorgängerin Cassis' zu den umstrittenen Aussagen. Im «Tages-Anzeiger» kritisiert sie den Aussenminister und wirft ihm vor, die Rolle der Schweiz als neutrale Vermittlerin zu gefährden. «Das macht mir Sorgen», sagt sie.
Cassis disqualifiziere sich als Friedensbotschafter
Calmy-Rey, Aussenministerin von 2003 bis 2011, glaubt, dass sich Cassis mit den Aussagen im rechten Lager anbiedern wolle. Dabei disqualifiziere er sich als Friedensbotschafter. Sie vergleicht Cassis mit US-Präsident Donald Trump und seiner Art, Politik zu machen: Er provoziere, um zu schauen, wie seine Anhänger auf die Äusserungen darauf reagieren.
Die Aussagen Cassis' werden auch am Montag in der Fragestunde des Nationalrats Thema sein. Gleich neun Fragen der Parlamentarier an den Bundesrat drehen sich um die Äusserungen des Aussenministers. Die Tessiner SP-Nationalrätin Marina Carobbio will wissen, ob die Schweiz weiterhin bereit ist, das Palästinenser-Hilfswerk der Uno zu unterstützen. Und ihr Genfer Parteikollege Carlo Sommaruga befürchtet, dass Cassis mit seiner Kritik die Wahl der Schweiz in den Uno-Sicherheitsrat gefährdet hat. (lha)