Die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei steht beim türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ganz oben auf der politischen Agenda. Wenn nötig, will er ein Referendum dazu ansetzen.
Doch dass er unter türkischen Landsleuten in Europa über die Todesstrafe abstimmen lässt, stösst in Deutschland und in der Schweiz auf Widerstand (BLICK berichtete). Nur: Gemäss einem Bundesratserlass von 1994 braucht Erdogan in der Schweiz gar keine Genehmigung. Der Bundesrat kann Referenden nur in Ausnahmen verhindern, wie das Aussendepartement gegenüber BLICK bestätigt. Wie sich die Regierung verhalten wird, lässt Aussenminister Didier Burkhalter vorerst offen.
FDP-Fiala gegen «zu leise Diplomatie»
Klare Antworten fordert nun aber FDP-Nationalrätin Doris Fiala (ZH) per Interpellation, die sie in der Junisession einreicht. «Wir dürfen uns mit zu leiser Diplomatie nicht dem Vorwurf aussetzen, uns praktisch als Verbündete Erdogans zu präsentieren», sagt sie.
Der Bundesrat soll darlegen, «ob er analog zu den Diskussionen und Plänen Deutschlands auch in der Schweiz in Erwägung zieht, die Abstimmung über die Todesstrafe zu untersagen».
Doppelbürgerschaft in Frage gestellt
Doch nicht nur das. Fiala zeigt sich ob der «zunehmend radikalen und autokratischen Tendenzen desillusioniert und frustriert» – und stellt die Doppelbürgerschaft von eingebürgerten Türken in Frage: «Sollte die Todesstrafe innerhalb der türkischen Diaspora Zustimmung finden, muss man auch über Konsequenzen nachdenken», sagt Fiala.
Vom Bundesrat will sie deshalb wissen, ob er bereit ist, «die Doppelbürgerschaft für Türken unter gewissen Umständen abzuschaffen». Aussenminister Didier Burkhalter, der auf den Dialog mit der Türkei setzt, soll schliesslich auch erklären, was die diplomatischen Bemühungen mit der Türkei bisher gebracht haben.
Fliegt die Türkei aus dem Europarat?
Die Entwicklung in der Türkei beobachtet die Europarats-Delegierte Fiala jedenfalls mit Sorge. Für sie ist klar: «Bei Einführung der Todesstrafe wäre ein Austritt der Türkei aus dem Europarat angezeigt und fällig! Wir können uns nicht zu Komplizen machen gegen die Werte, die wir mit anderen 46 Ländern unterzeichnet haben.»
In diese Richtung zielt auch eine Interpellation von BDP-Nationalrat Bernhard Guhl (AG). Er will vom Bundesrat wissen, wie er sich bei einem Todesstrafe-Referendum zur Europarats-Mitgliedschaft der Türkei stellt.
«Die Europarats-Mitglieder sind der Abschaffung der Todesstrafe verpflichtet», sagt Guhl. Mache die Türkei mit der Todesstrafe ernst, müsse auch ihre Mitgliedschaft zur Debatte stehen. «Der Bundesrat muss darlegen, wie er sich in diesem Fall verhalten wird – und ob er gar auf einen Ausschluss der Türkei hinwirken würde.»
Guhl gegen Referendums-Verbot
Ein Verbot eines Referendums, welches Aussenpolitiker aus prinzipiellen Überlegungen fordern, erachtet der BDP-Mann hingegen nicht als zielführend. «Wenn eine deutliche Mehrheit der Schweiz-Türken wie beim Verfassungsreferendum auch bei einem Todesstrafe-Votum mit Nein stimmt, könnten diese bei einem engen Resultat die entscheidende Rolle spielen», so Guhl. «Das Hauptziel muss aber sein, dass Erdogan die Todesstrafe-Idee schon vorher fallen lässt.»