Wegen EU-Poker in den Sommerferien
Schneider-Ammann lässt den Bundesrat nachsitzen!

Sitzen statt Sünnelen: Die Sommerpause des Bundesrats ist heilig. Eigentlich. Wegen dem EU-Poker bittet Schneider-Ammann seine Kollegen nun zum Nachsitzen.
Publiziert: 15.06.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 07:50 Uhr
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Gibts dieses Jahr Ferien mit Unterbruch? Bundesräte Berset, Burkhalter, Leuthard, Schneider-Ammann, Maurer, Sommaruga und Parmelin (v. l.).
Foto: Bundeskanzlei

Nach dem Brexit-Referendum vom 23. Juni will die Schweiz in Brüssel eine diplomatische Offensive zünden. Das Ziel: einen EU-Deal zur Zuwanderungs­frage aushandeln. Das Zeitfenster ist allerdings enorm klein. Bereits am 6. Juli hat der Bundesrat seine letzte Sitzung vor der Sommerpause. Anschliessend geniessen die Magistraten ihre verdienten Ferien.

Doch mit erholen und ausspannen wird möglicherweise nichts. Wie BLICK-Recherchen zeigen, hat Bundespräsident Johann Schneider-Ammann seinen Kollegen klargemacht, dass seine Prioritäten auch während der Sommerpause beim EU-Deal liegen. Der FDP-Mann hat nachträglich einen Sitzungstermin in den Bundesratskalender eintragen lassen – mit explizitem Bezug zum Verhandlungspoker in Brüssel. Dies bestätigen mehrere Quellen.

Die Sitzung soll in der zweiten Ferienwoche stattfinden, am Montag, 18. Juli. Allerdings gilt der Termin nur provisorisch. Gibt es keinen Durchbruch mit der EU und folglich nichts zu beschliessen, werde die Sitzung wohl nicht stattfinden, sagt ein Insider.

Die Bundeskanzlei will die Feriensitzung zum EU-Deal nicht bestätigen. Eine Sprecherin teilt mit, der Bundesrat plane in der sitzungsfreien Zeit immer Reserve­termine ein. Eine Bundesratssitzung könne auch kurzfristig angesetzt und sogar telefonisch durchgeführt werden.

Brexit bedroht EU-Deal

Doch wie realistisch ist es überhaupt, dass ein EU-Deal zustandekommt? Und können ihn die Bundesräte wirklich noch in den Sommer­ferien besiegeln?

Darüber gehen die Meinungen im Bundeshaus weit aus­einander. Erstens wegen der drohenden Zustimmung der Briten zu einem Austritt aus der EU (siehe Box unten). Zweitens weil es kaum Informationen aus den bisherigen Gesprächen mit der EU gibt.

Aber Roland Büchel (SVP), Präsident der Aussenpolitischen Kommission, sagt: «Aufgrund der Signale aus dem Bundesrat dürfen wir optimistisch sein, dass noch im Sommer eine Lösung gefunden wird.»

Verhalten positiv äussert sich auch BDP-Präsident Martin Landolt: «Simonetta Sommaruga und Didier Burkhalter strahlen in diesem Dossier viel Zuversicht und Gelassenheit aus. Ein Indiz dafür, dass sie einen Trumpf im Ärmel haben.» Zugleich weist Landolt darauf hin, dass die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative für Brüssel nur «Chickenshit» sei. Anders gesagt: zweitrangig.

Ex-Stardiplomat Tim Guldimann (SP) sieht derweil schwarz für eine sofortige Einigung mit der EU: «Wenn man sich verständigen kann, dann wohl frühestens Anfang September.» Und auch was diesen Deal betreffe, dürfe man sich keine Illusionen machen. «Die Lösung wird – strikt gemessen am Verfassungsartikel – halbbatzig sein.»

Auch Kathy Riklin (CVP) dämpft Erwartungen auf einen raschen Durchbruch mit der EU: «Vor September wird da gar nichts kommen.» Dennoch geht sie davon aus, dass der Deal gelingt. «Offiziell gilt für die Unterhändler zwar Stillhalten bis zum Morgen nach dem Brexit-Referendum. Aber ich bin überzeugt: Unsere Bundesräte haben eine gewisse Art von Zusage erhalten.»

Die EU hat Brexit-Panik

Ratspräsident Donald Tusk sagt der «Bild»: «Der Brexit könnte der Beginn der Zerstörung nicht nur der EU, sondern der gesamten politischen Zivilisation des Westens sein.» Der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte letzte Woche am Swiss Economic Forum, Putin würde sich über einen Austritt Englands aus der EU freuen, weil er die Sicherheit Europas geschwächt sähe.

In der Schweiz sieht man den Alleingang eines Landes aus eigener Anschauung weniger dramatisch. Trotzdem hoffen auch hier alle, dass die Briten bleiben. Wenn nicht, wird die EU keine Zeit mehr haben, mit unseren Unterhändlern über die Zuwanderungs-Schutzklausel zu diskutieren. Ein fatales Szenario für Politik und Wirtschaft.

Soweit darf es nicht kommen. Die Briten sehen die wirtschaftlichen Vorteile ihrer EU-Mitgliedschaft. Der Brexit ist ihnen hoffentlich zu gewagt. Auch wenn die Umfragen derzeit das Gegenteil voraussagen. Aber der Spruch, er glaube nur an die Statistik, die er selbst gefälscht habe, soll ja schliesslich von Churchill stammen.

BLICK-Chefredaktor Peter Röthlisberger.
BLICK-Chefredaktor Peter Röthlisberger.
BLICK

Ratspräsident Donald Tusk sagt der «Bild»: «Der Brexit könnte der Beginn der Zerstörung nicht nur der EU, sondern der gesamten politischen Zivilisation des Westens sein.» Der ehemalige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte letzte Woche am Swiss Economic Forum, Putin würde sich über einen Austritt Englands aus der EU freuen, weil er die Sicherheit Europas geschwächt sähe.

In der Schweiz sieht man den Alleingang eines Landes aus eigener Anschauung weniger dramatisch. Trotzdem hoffen auch hier alle, dass die Briten bleiben. Wenn nicht, wird die EU keine Zeit mehr haben, mit unseren Unterhändlern über die Zuwanderungs-Schutzklausel zu diskutieren. Ein fatales Szenario für Politik und Wirtschaft.

Soweit darf es nicht kommen. Die Briten sehen die wirtschaftlichen Vorteile ihrer EU-Mitgliedschaft. Der Brexit ist ihnen hoffentlich zu gewagt. Auch wenn die Umfragen derzeit das Gegenteil voraussagen. Aber der Spruch, er glaube nur an die Statistik, die er selbst gefälscht habe, soll ja schliesslich von Churchill stammen.

Mehrheit der Briten will raus aus der EU

Zürich/London – Nächste Woche stimmen die Briten darüber ab, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Laut Thomas Schäubli, EU-Experte von Wellershoff & Partners, hat das Austritts-Lager – diejenigen, die den Brexit wollen – in einer längerfristigen Betrachtung und über mehrere Umfragen hinweg neu eine Mehrheit. Gestern waren demnach 46 Prozent der befragten Briten für einen EU-Austritt, 44 Prozent dagegen. Einzelne Umfragen hätten die EU-Gegner schon vorher vorne gesehen. «In der Summe waren die EU-Befürworter aber jeweils in der Mehrzahl», so Schäubli. Zu ähnlichen Resultaten kommen «Financial Times» und «Economist».

Zürich/London – Nächste Woche stimmen die Briten darüber ab, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Laut Thomas Schäubli, EU-Experte von Wellershoff & Partners, hat das Austritts-Lager – diejenigen, die den Brexit wollen – in einer längerfristigen Betrachtung und über mehrere Umfragen hinweg neu eine Mehrheit. Gestern waren demnach 46 Prozent der befragten Briten für einen EU-Austritt, 44 Prozent dagegen. Einzelne Umfragen hätten die EU-Gegner schon vorher vorne gesehen. «In der Summe waren die EU-Befürworter aber jeweils in der Mehrzahl», so Schäubli. Zu ähnlichen Resultaten kommen «Financial Times» und «Economist».

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