Viele Anzeichen sprechen dafür, dass Türkinnen und Türken hierzulande vom Regime in Ankara bespitzelt werden, um sie durch Erdogans Sicherheitsbehörden verfolgen zu lassen. Selbst Schweizer Universitäten sind nicht sicher vor Denunziationen williger Helfer des autokratischen Herrschers.
Im Gegenzug wird nun auch eine Schweizer Behörde in dieser unappetitlichen Angelegenheit aktiv: die Bundesanwaltschaft. Der Urner Ständerat Josef Dittli (59, FDP) hat bei Bundesanwalt Michael Lauber Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. Ihr Wortlaut liegt SonntagsBlick vor. Dittli sieht den Tatbestand des politischen Nachrichtendienstes für einen fremden Staat erfüllt, eine Verletzung von Artikel 272 des Strafgesetzbuches: «Ich will Sicherheit für die Türken und Doppelbürger, die in der Schweiz leben.» Wer sich hierzulande niederlasse, müsse vor den Fängen einer ausländischen Macht geschützt werden, meint Dittli.
«Stark zugenommen»
Schon kurz nach dem gescheiterten Putsch im vergangenen Sommer hätten sich Hinweise auf die Tätigkeit türkischer Agenten gehäuft, berichtet der langjährige Urner Sicherheitsdirektor. «In den letzten Tagen haben Spionagetätigkeiten aus dem Umfeld des türkischen Präsidenten, offensichtlich organisiert von in der Schweiz operierenden türkischen Institutionen und Personen, gegen in der Schweiz lebende türkische Angehörige oder Doppelbürger stark zugenommen», heisst es in seiner Anzeige.
Dittli: «Wer im Interesse eines fremden Staates zum Nachteil der Schweiz und ihrer Einwohner politischen Nachrichtendienst betreibt, muss zur Rechenschaft gezogen werden.»
Der ehemalige Berufsoffizier vermutet Erdogans Agenten im Umfeld der Türkisch-Islamischen Stiftung für die Schweiz, die eine Reihe von Moscheen betreibt, sowie in der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten. Letztere steht Erdogans Regierungspartei AKP nahe und steckt auch hinter dem abgesagten Besuch des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu (49) am vergangenen Sonntag. Beide Organisationen wollten gegenüber SonntagsBlick nicht Stellung nehmen.
Rasch durchgreifen
Gegen Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker hat Dittli grundsätzlich nichts einzuwenden. «Wir sind eine Demokratie, wir müssen die Redefreiheit auch jener verteidigen, deren Ansichten wir nicht teilen.» Doch sobald die öffentliche Sicherheit gefährdet sei, müssten die Kantone derartige Veranstaltungen verbieten.
Sollten Angehörige der türkischen Botschaft oder der Konsulate an der Bespitzelung von Schweizer Türken beteiligt sein, müsse rasch durchgegriffen werden. Recherchen des deutschen Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» legen diese Ungeheuerlichkeit nahe. Dittli: «Möglich, dass sich im Laufe der Ermittlungen zeigt, dass auch türkische Diplomaten ausgewiesen werden müssten.» Dies sei dann allerdings ein politischer Entscheid, so der Urner. «Dann ist der Bundesrat gefordert.»