Wegen Anpassungen beim Ärztetarif Tarmed
Ärzte erhöhen Druck auf Berset

Die Ärzte-Allianz gegen die Anpassungen beim Ärztetarif Tarmed wächst täglich. Heute haben sie vor dem Bundeshaus Infoblätter an die Parlamentarier verteilt. Diese sollen Druck auf den zuständigen Bundesrat Berset ausüben.
Publiziert: 15.06.2017 um 12:58 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:15 Uhr
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Der Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich und Sprecher der Allianz SOS Santé, Erich Seifritz (l.), erklärt Louis Schelbert (Grüne/LU) die Einwände der Ärzte.
Foto: Karin Scheidegger
Benedikt Theiler

Den Medizinern sind die von Gesundheitsminister Alain Berset vorgeschlagenen Anpassungen beim Ärztetarif Tarmed ein Dorn im Auge. Bereits Ende Mai übergaben sie darum medienwirksam vor dem Bundeshaus einem Mitarbeiter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) einen offenen Brief, unterzeichnet von rund 2000 Betroffenen. 

Heute protestierten die Ärzte erneut vor dem Bundeshaus. Um die Parlamentarier auf ihre Unzufriedenheit aufmerksam zu machen, verteilten sie Infoblätter an die Politiker. Diese sollen nun Druck auf Berset machen.

Nach heutigen Gegebenheiten vergüten

Worum geht es: Ambulante Leistungen werden seit 2002 nach dem Regelwerk des Tarmed-Ärztetarifs vergütet. Dieses schreibt genau vor, welche Behandlung wie viel Zeit in Anspruch nehmen und wie viel dafür abgerechnet werden darf.

Wegen des technologischen Fortschritts in den letzten 15 Jahren sind aber einzelne Vergütungen nicht mehr gerechtfertigt. Darum hat Bundesrat Berset Ende März Strukturanpassungen beim Ärztetarif vorgestellt. Ambulante Leistungen sollen damit ab nächstem Jahr nach den heutigen Gegebenheiten vergütet werden. So sollen bis zu 700 Millionen Franken eingespart werden, rechnet der Bundesrat. Die Vorschläge des BAG sind nun in der Vernehmlassung.

Die Allianz gegen die von Berset vorgeschlagenen Anpassungen wächst täglich, so Erich Seifritz, Sprecher der Allianz SOS Santé. Mit gezielten Aktionen wolle man künftig die Verbände und Interessengruppen darauf aufmerksam machen, dass die Ärzte mit den Strukturanpassungen nicht zufrieden sind.

Am falschen Ort gespart

Für den Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich ist klar, dass mit den Strukturanpassungen am falschen Ort gespart werde, denn: «Kommt die ambulante Behandlung unter Druck, so werden mehr Patienten in die stationäre Behandlung verschoben. Diese ist aber weitaus teurer.» Der Vorschlag von Berset habe deshalb nur geringes Sparpotenzial.

Dafür müsse man befürchten, dass ambulante Leistungen in Zukunft nicht kostendeckend vergütet würden. «Um Kosten zu sparen, sollten meines Erachtens Patienten – wenn möglich – ambulant behandelt werden», so Seifritz.

Für die einzelnen Ärztegruppen hingegen bedeuten die Anpassungen massive Lohneinbussen, so der Chefarzt. «Gewisse Einrichtungen, zum Beispiel Kinderpermanencen oder psychiatrische Ambulatorien, würden wohl gar schliessen müssen.»

Auch die Psychiatrie würde durch die Strukturanpassungen besonders unter Druck geraten. «In diesem Fachbereich besteht schon jetzt ein drastischer Fachkräftemangel. Kommen die Vorschläge von Bundesrat Berset durch, wird dieser Fachbereich zusätzliche Schwierigkeiten erfahren.»

«Eingriff des BAG ist schädlich»

«Unsere heutige Aktion will die Parlamentarier sensibilisieren und ihnen bewusst machen, dass dieser Eingriff des BAG schädlich ist», so Seifritz. «Unser Ziel ist es, dass Parlamentarier beim Bundesrat nachfragen, wieso sich die Schweizer Ärzte gegen den Entwurf des Departements Berset wehren.» So soll Druck auf den Bundesrat ausgeübt werden, damit dieser seine Anpassungen überdenkt.

So will Tarmed die Kosten endlich senken

Bundesrat Alain Berset (45) tritt resolut auf die Bremse: Mit einer Kürzung der Abgeltungen für die Ärzte will er bei den ständig steigenden Gesundheitskosten jährlich 700 Millionen Franken einsparen. Betroffen von strafferen Tarifen sind die ambulanten Behandlungen. Die Ärzteschaft warnt: Bersets Eingriff wirke sich besonders negativ auf die Behandlungsqualität in der Notfall-, Alters- und Kindermedizin sowie der Psychiatrie aus.

Ärztinnen und Ärzte verrechnen alle Leistungen in der Praxis und im ambulanten Spitalbereich nach dem Tarmed-Tarif. Tarmed ist ein kompliziertes Vertragswerk mit 4000 Taxpunkten zwischen der Ärztegesellschaft FMH und den Krankenversicherern. Weil sich die Partner nicht auf eine längst fällige Aktualisierung einigen konnten, greift jetzt Berset persönlich ein. Bis am 21. Juni schickt er seine Änderungen in die Vernehmlassung. Umstritten sind Abstriche bei den Zeitlimitationen: Ärzte sollen bei den Patientenkontakten weniger Zeit aufschreiben können. Beispiel: Beim Dermatologen wird der Arztbesuch auf 20 Minuten beschränkt. Aufwendige Kindermedizin werde durch die Tarmed-Kürzung ungenügend abgegolten, warnen die Ärzte. Kranke Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit und Zeit – sie haben beim Arzt Ängste, sind störrisch, wollen zuerst getröstet werden. Ins Gespräch müssen auch die Eltern einbezogen werden.

Hingegen können mit Tarmed technische Kosten dank Digitalisierung und Fortschritt tatsächlich eingespart werden. Beispiel: die Opera­tion des grauen Stars. Dank neuer Technologie soll der Tarif von 376 Franken auf 128 Franken gesenkt werden. Magen-Darm-Ärzte verdienen pro Jahr im Schnitt 393'000 Franken, Kinderärzte 187'000 Franken.

Der für das Gesundheitswesen verantwortliche Bundesrat Alain Berset.
PETER KLAUNZER

Bundesrat Alain Berset (45) tritt resolut auf die Bremse: Mit einer Kürzung der Abgeltungen für die Ärzte will er bei den ständig steigenden Gesundheitskosten jährlich 700 Millionen Franken einsparen. Betroffen von strafferen Tarifen sind die ambulanten Behandlungen. Die Ärzteschaft warnt: Bersets Eingriff wirke sich besonders negativ auf die Behandlungsqualität in der Notfall-, Alters- und Kindermedizin sowie der Psychiatrie aus.

Ärztinnen und Ärzte verrechnen alle Leistungen in der Praxis und im ambulanten Spitalbereich nach dem Tarmed-Tarif. Tarmed ist ein kompliziertes Vertragswerk mit 4000 Taxpunkten zwischen der Ärztegesellschaft FMH und den Krankenversicherern. Weil sich die Partner nicht auf eine längst fällige Aktualisierung einigen konnten, greift jetzt Berset persönlich ein. Bis am 21. Juni schickt er seine Änderungen in die Vernehmlassung. Umstritten sind Abstriche bei den Zeitlimitationen: Ärzte sollen bei den Patientenkontakten weniger Zeit aufschreiben können. Beispiel: Beim Dermatologen wird der Arztbesuch auf 20 Minuten beschränkt. Aufwendige Kindermedizin werde durch die Tarmed-Kürzung ungenügend abgegolten, warnen die Ärzte. Kranke Kinder brauchen mehr Aufmerksamkeit und Zeit – sie haben beim Arzt Ängste, sind störrisch, wollen zuerst getröstet werden. Ins Gespräch müssen auch die Eltern einbezogen werden.

Hingegen können mit Tarmed technische Kosten dank Digitalisierung und Fortschritt tatsächlich eingespart werden. Beispiel: die Opera­tion des grauen Stars. Dank neuer Technologie soll der Tarif von 376 Franken auf 128 Franken gesenkt werden. Magen-Darm-Ärzte verdienen pro Jahr im Schnitt 393'000 Franken, Kinderärzte 187'000 Franken.

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