Was Parteichefs zur Hassdiskriminierung von Schweizer Muslimen sagen
«Nur Idioten spucken andere an»

Muslime haben es nicht leicht: Sie werden beschimpft, bespuckt und aus dem Tram gestossen. Dies sagt eine Studie, die BLICK am Mittwoch exklusiv veröffentlicht hat. Die Parteichefs von SVP, CVP, Grünen und BDP finden das «nicht korrekt» und «beschämend».
Publiziert: 03.01.2018 um 20:13 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:30 Uhr
BDP-Parteipräsident Martin Landolt verurteilt Hasskriminalität an Schweizer Muslimen. Er finde sie «schlichtweg beschämend».
Foto: Keystone
Andrea Willimann

Gestossen, geschubst, bespuckt – Muslime sind in der Schweiz mit viel Hass konfrontiert, nur weil sie ein Kopftuch oder einen Bart tragen. Darauf weist eine nicht repräsentative Studie des GfS Bern hin. Diese zeigt auch, dass über die Hälfte der Muslime bei der Stellen- oder Wohnungssuche, auf der Strasse oder im Supermarkt diskriminiert werden. 

Chefs von Schweizer Parteien finden dies «schlichtweg beschämend», wie etwa BDP-Präsident Martin Landolt (49) sagt. «Nur Idioten spucken andere Menschen an!»

Seine Partei engagiere sich für eine fortschrittliche Schweiz, in der sich Menschen gegenseitig respektierten. Es gehöre zu einer verantwortungsvollen Politik, nicht nur dann Zeter und Mordio zu schreien, wenn ein Ausländer die Schweizer Gastfreundschaft missbrauche; sondern auch, wenn von Einheimischen Missbräuche im Umgang mit anderen Menschen stattfänden.

Alle sollen den Rechtsstaat beachten

Laut CVP-Parteipräsident Gerhard Pfister gehören ausländerfeindliche Haltungen genauso verboten wie integrationsverweigernde Handlungen.
Foto: PETER SCHNEIDER

CVP-Chef Gerhard Pfister (55) verweist darauf, dass die GfS-Studie nicht repräsentativ sei. Aber auch er betont: «Ausländerfeindliche Handlungen gehören genauso verboten wie integrationsverweigernde Handlungen.» Seine Partei verlange von allen die Beachtung des Rechtsstaates, wobei sich auch die Kultusfreiheit dem Rechtsstaat und der Verfassung unterzuordnen habe. 

SVP-Parteipräsident Albert Rösti sieht bei gut integrierten Muslimen keinen Handlungsbedarf.
Foto: ANTHONY ANEX

SVP-Präsident Albert Rösti (50) möchte aus der Pilotstudie ebenfalls keine Schlüsse ziehen. Er erlebe viele Muslime, die sehr gut integriert seien; da sehe er keinen Handlungsbedarf. Probleme machten die anderen, die fundamentalen, radikalen Muslime, und bei ihnen sei es wichtig, Grenzen zu setzen. Dann geschähen auch keine Anspuckereien und andere grobe Diskriminierungen mehr, die als solches sicher nicht korrekt seien.

In diesen Chor stimmt auch FDP-Chefin Petra Gössi (41) ein. «Für die FDP ist klar, dass in der Schweiz Diskriminierung jeder Art keinen Platz hat, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Religion. Wir kennen die verfassungsmässige Rechtsgleichheit und die Rassismus-Strafnorm. Unsere Gesetze gelten für alle.» Im Weiteren gebe es bereits klare Gesetze und Anforderungen an die Integration von Ausländern.  Entsprechend brauche es keine neuen Massnahmen.

Den vernünftigen Kräften zuhören

Regula Rytz (55), Präsidentin der Grünen, erstaunt es nicht, dass sich Menschen mit muslimischen Hintergrund oft diskriminiert fühlen, «denn sie werden von den Medien und der rechten Politik gerne in die Extremistenecke gestellt».

Regula Rytz, Parteipräsidentin der Grünen, ruft dazu auf, den vernünftigen muslimischen Kräften – der Mehrheit – zuzuhören.
Foto: MARCEL BIERI

Tatsächlich gebe es zwar bei den Muslimen, so wie in jeder anderen Religion, auch orthodoxe und fundamentalistische Kräfte. Aber man müsse auch der Mehrheit der Menschen mit muslimischem Hintergrund zuhören, also die vernünftigen Kräfte zu Wort kommen lassen.

Weiter mahnt Rytz: «Nicht die Religion steht bei der Integration im Vordergrund, sondern die Spielregeln für ein respektvolles Zusammenleben im Rahmen unseres Rechtsstaates und unserer Demokratie. Eine liberale Demokratie, die von Freiheit und Vielfalt und nicht von der Gleichmacherei lebt.» 

«Die Studie ist relevant – trotz der Kritik»

BLICK: Ihr Umfrageinstitut GFS Bern hat  im Aufrag der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, eine Befragung gemacht. Die UETD ist der  verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der auch schon mal Erdogan-Kritiker in der Schweiz filmt. Wieso haben Sie den Auftrag angenommen?

Lukas Golder: Als die UETD vor drei Jahren das erste Mal Kontakt mit uns aufnahm, war die Situation in der Türkei noch eine ganz andere. Auch die UETD Switzerland stand noch nicht wirklich in der Kritik. Zudem hatten wir kurz vorher eine Studie abgeschlossen, die zeigte, dass sowohl Schweizer wie auch Ausländer verbreitet muslimfeindlich eingestellt sind. Wir erachteten daher auch die Perspektive der Musliminnen und Muslime in der Schweiz als relevant. Trotz der totalitären Züge, die die Türkei mittlerweile hat, und trotz der Kritik an der UETD.

Wie viel Geld haben Sie von der UETD erhalten?
Rund 50’000 Franken. Wir haben die vergangenen drei Jahre dafür recht intensiv gearbeitet.

Wie hat sich die UETD eingebracht? Hat sie Ihnen die Fragen diktiert?
Nein. Die Zusammenarbeit mit der UETD verlief sehr professionell, und unsere wissenschaftliche Unabhängigkeit war nie infrage gestellt. Für uns war eine breite Abstützung wesentlich. Daher haben wir eine Trägerschaft aus verschiedensten muslimischen Vereinen ins Leben gerufen, die sehr viel breiter ist als die relativ kleine Organisation UETD. Nach der Kritik in der Schweiz an der UETD und an den totalitären Tendenzen der Türkei haben wir uns noch einmal nach allen Seiten abgesichert. Erst dann haben wir die Studie publiziert. Sie ist nun für Kritik offen.

Es sind also nicht vor allem Erdogan-Anhänger zur Sprache gekommen?
Nein, wir haben verschiedenste Wege gehabt, um Listen mit Namen zu erhalten, und man konnte sich auch direkt bei uns einbringen. Die breite und relativ umfassende Abdeckung muslimischer Kreise war für die Pilotstudie auch wesentlich. Wir sind der Meinung, dass es gewisse Verzerrungen geben kann, gewisse Tendenzen, vor allem im türkischen Lager, wo die UETD half, Adressen zu sammeln, aber wir haben das auch bestmöglich abgesichert.

Haben die Befragten gewusst, dass die UETD die Studie bezahlt hat?
Ja, das war transparent. Wie immer.

Die Studie ist nicht repräsentativ. Wie gross ist ihre Aussagekraft?
Wir haben den Eindruck, dass wir ein sehr breites Feld von Muslimen erfragt haben und sehr breite Muster von Diskriminierungerfahrungen und Einstellungen zum Ausdruck kommen. Aber eben: Es ist eine Pilotstudie, die den Anstoss zu weiterer Forschung geben soll.

Was war für Sie das spannendste Ergebnis?
Dass die islamkritische Medienberichterstattung tatsächlich die Einstellung mitprägt. Die Muslime verschliessen sich nicht gegenüber Schweizer Medien, sie konsumieren sie, sie sind integriert, hier zu Hause und auch zu einem guten Teil interessiert. Und trotzdem nehmen sie sehr verbreitet das Muster wahr, dass sie sehr stereotyp dargestellt werden, und immer in die Ecke des Terrors, des Extremismus und des Islamismus geschoben werden. Das hat ein tiefes Diskriminierungsgefühl geweckt.

BLICK: Ihr Umfrageinstitut GFS Bern hat  im Aufrag der UETD, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, eine Befragung gemacht. Die UETD ist der  verlängerte Arm des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der auch schon mal Erdogan-Kritiker in der Schweiz filmt. Wieso haben Sie den Auftrag angenommen?

Lukas Golder: Als die UETD vor drei Jahren das erste Mal Kontakt mit uns aufnahm, war die Situation in der Türkei noch eine ganz andere. Auch die UETD Switzerland stand noch nicht wirklich in der Kritik. Zudem hatten wir kurz vorher eine Studie abgeschlossen, die zeigte, dass sowohl Schweizer wie auch Ausländer verbreitet muslimfeindlich eingestellt sind. Wir erachteten daher auch die Perspektive der Musliminnen und Muslime in der Schweiz als relevant. Trotz der totalitären Züge, die die Türkei mittlerweile hat, und trotz der Kritik an der UETD.

Wie viel Geld haben Sie von der UETD erhalten?
Rund 50’000 Franken. Wir haben die vergangenen drei Jahre dafür recht intensiv gearbeitet.

Wie hat sich die UETD eingebracht? Hat sie Ihnen die Fragen diktiert?
Nein. Die Zusammenarbeit mit der UETD verlief sehr professionell, und unsere wissenschaftliche Unabhängigkeit war nie infrage gestellt. Für uns war eine breite Abstützung wesentlich. Daher haben wir eine Trägerschaft aus verschiedensten muslimischen Vereinen ins Leben gerufen, die sehr viel breiter ist als die relativ kleine Organisation UETD. Nach der Kritik in der Schweiz an der UETD und an den totalitären Tendenzen der Türkei haben wir uns noch einmal nach allen Seiten abgesichert. Erst dann haben wir die Studie publiziert. Sie ist nun für Kritik offen.

Es sind also nicht vor allem Erdogan-Anhänger zur Sprache gekommen?
Nein, wir haben verschiedenste Wege gehabt, um Listen mit Namen zu erhalten, und man konnte sich auch direkt bei uns einbringen. Die breite und relativ umfassende Abdeckung muslimischer Kreise war für die Pilotstudie auch wesentlich. Wir sind der Meinung, dass es gewisse Verzerrungen geben kann, gewisse Tendenzen, vor allem im türkischen Lager, wo die UETD half, Adressen zu sammeln, aber wir haben das auch bestmöglich abgesichert.

Haben die Befragten gewusst, dass die UETD die Studie bezahlt hat?
Ja, das war transparent. Wie immer.

Die Studie ist nicht repräsentativ. Wie gross ist ihre Aussagekraft?
Wir haben den Eindruck, dass wir ein sehr breites Feld von Muslimen erfragt haben und sehr breite Muster von Diskriminierungerfahrungen und Einstellungen zum Ausdruck kommen. Aber eben: Es ist eine Pilotstudie, die den Anstoss zu weiterer Forschung geben soll.

Was war für Sie das spannendste Ergebnis?
Dass die islamkritische Medienberichterstattung tatsächlich die Einstellung mitprägt. Die Muslime verschliessen sich nicht gegenüber Schweizer Medien, sie konsumieren sie, sie sind integriert, hier zu Hause und auch zu einem guten Teil interessiert. Und trotzdem nehmen sie sehr verbreitet das Muster wahr, dass sie sehr stereotyp dargestellt werden, und immer in die Ecke des Terrors, des Extremismus und des Islamismus geschoben werden. Das hat ein tiefes Diskriminierungsgefühl geweckt.

Schweizer fühlen sich bedroht

Burka, Handschlag, Dschihadisten – der Islam macht vor allem negative Schlagzeilen. Obwohl nur fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung muslimischen Glaubens sind, fühlen sich viele Schweizerinnen und Schweizer bedroht. Das Umfrageinstitut GFS Bern hat nun erstmals gezielt Muslime befragt. Darüber, wie sie das Miteinander erleben. BLICK liegen die Ergebnisse exklusiv vor. Ein Anlass, genauer hinzuschauen. In einer vierteiligen Serie beleuchtet BLICK die Probleme der Muslime in der Schweiz und die Probleme mit ihnen: im Alltag, im Berufsleben, in der Politik.

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