Was lief mit dem Auto von Beat Villiger?
Seltsamer Justiz-Fall bringt CVP-Regierungsrat in Bedrängnis

Am Sonntag will CVP-Justizdirektor Beat Villiger erneut in die Zuger Regierung gewählt werden. Ein vielleicht zu Unrecht eingestelltes juristisches Verfahren könnte das verhindern.
Publiziert: 01.10.2018 um 18:55 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 19:31 Uhr
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Unter Beschuss: Ein undurchsichtiger juristischer Fall könnte zum Stolperstein für den langjährigen Zuger Regierungsrat Beat Villiger (CVP) werden.
Foto: Daniel Winkler

Diesen Sonntag wählen die Zuger Parlament und Regierung neu. Zur Wiederwahl tritt auch CVP-Regierungsrat Beat Villiger (61) an. Es soll seine vierte Legislatur werden.

Sechs Tage vor den Wahlen berichtet das Onlinemagazin «Republik» über einen seltsamen juristischen Fall im Zusammenhang mit dem langjährigen Zuger Justiz- und Sicherheitsdirektor.

Villigers Auto bleibt in Polizeikontrolle hängen

Am 29. Juli 2017 hält die Luzerner Polizei ein Fahrzeug an. Am Steuer eine Person, die weder einen Führerschein hat noch Besitzerin des Autos ist. Das Fahrzeug gehört Beat Villiger.

Wie aus Polizeiberichten hervorgeht, hatte sich Villiger zwei Tage vor diesem Vorfall, also am 27. Juli 2017, bei der Luzerner Polizei – als Privatperson, wie er selber sagt – erkundigt, ob die Person, die sein Auto zwei Tage später fahren wird, über einen Führerschein verfügt. Offenbar hatte Villiger Zweifel.

Villiger erkundigt sich, handelt aber nicht konsequent

Aus Datenschutzgründen durfte die Polizei ihm keine Auskunft geben. Der Polizist am Telefon wählt daher ein Ausweichmanöver: Er solle schauen, dass er möglichst schnell wieder in den Besitz des Fahrzeugs kommen soll. Wohl ein Hinweis darauf, dass kein gültiger Ausweis vorliegt.

Villiger sucht die Person, der er sein Auto geliehen hat, am 28. Juli auf. Er holt sich seinen Wagen aber nicht zurück, sondern lässt sich eine schriftliche Bestätigung von der Person geben, dass sie fahrberechtigt ist. Dies, obwohl er begründeten Verdacht hat, dass das nicht stimmt.

Gleicher Fehler innert vier Monaten?

Die Luzerner Polizei zeigt in der Folge nicht nur die unberechtigte Fahrzeuglenkerin an, sondern auch Villiger. Denn wer jemandem seinen Wagen überlässt, «von dem er weiss oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass er den erforderlichen Ausweis nicht hat», kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. So steht es im Strassenverkehrsgesetz.

Eigentlich eine Bagatelle, eine Nachlässigkeit im Privaten, könnte man argumentieren. Doch dabei bleibt es nicht. Noch bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte, greift die Luzerner Polizei vier Monate später, am 18. November 2017, erneut Villigers Wagen in einer Kontrolle auf. Wieder sitzt nicht Villiger am Steuer, sondern dieselbe Person – noch immer ohne Führerschein. Der gleiche Fehler innerhalb von vier Monaten?

Plötzlich liegt ein Kaufvertrag über Fahrzeug vor

Die Luzerner Polizei vernimmt Villiger und Fahrzeuglenkerin neuerlich. Letztere präsentiert dabei plötzlich einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, datiert auf den 15. Mai 2017 – also noch vor dem ersten Vorfall! Gemäss Kaufvertrag hat der Wagen Villiger also schon vor der ersten Kontrolle nicht mehr gehört. Handschriftlich heisst es darin, die Übernahme des Wagens werde per 1. Juli 2017 erfolgen und der effektive Halterwechsel Ende August.

Trotzdem ist der Wagen im November noch immer auf Villiger eingelöst. Warum? Villiger sagt, er habe es verpasst, die Halteränderung zu melden und seine Nummernschilder abzunehmen. Die Luzerner Staatsanwaltschaft verlangt Klarheit. Sie will von Villiger wissen, weshalb er den Kaufvertrag nicht schon früher erwähnt habe und wann der Vertrag effektiv unterzeichnet worden sei. Villiger bleibt eine Antwort und versprochene Abklärungen schuldig.

Luzerner Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein

Die Staatsanwaltschaft verlangt keine weiteren Belege für Villigers Aussagen. Sie stellt das Verfahren letztlich ganz ein. Die Einstellungsverfügung des zuständigen Staatsanwalts, der Ende August 2018 befördert wurde, beträgt fünf Seiten und entlastet Villiger in allen Punkten.

Diverse Rechtsexperten, denen die «Republik» den Fall vorlegt, kommen zum Schluss, dass Unstimmigkeiten und zumindest ein begründeter Tatverdacht vorliege, der eine Beurteilung durch das Gericht notwendig gemacht hätte. Die Luzerner Staatsanwaltschaft hingegen sagt, dass sie «neutral und unvoreingenommen untersucht» habe. Für Villiger gilt die Unschuldsvermutung.

Zürcher Gericht zensiert «Republik»-Recherche

Doch es geht noch weiter: Letzten Donnerstag hat das Bezirksgericht Zürich in einer superprovisorischen Verfügung entschieden, dass die «Republik» keine Details über gewisse Aspekte des Falls berichten darf.

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Dabei handle es sich nicht um die Verkehrsdelikte, sondern um andere Vorwürfe. Superprovisorische Verfügungen sind vorsorgliche Massnahmen, die ein Gericht ohne Anhörung der Gegenpartei – in diesem Fall die «Republik» – verfügt. Das Onlinemagazin werde zu einem späteren Zeitpunkt angehört.

Villiger: «Wenn das kommt, kann ich gleich zurücktreten»

Villiger scheint sich der Tragweite der Recherchen zumindest bewusst zu sein: In Gesprächen mit der «Republik» gesteht er Fehler ein. Er habe sich linken lassen, sich in etwas reingeritten, was ihn die Karriere kosten könne. «Man macht alles kaputt. Wegen eines Fehlers, den ich gemacht habe», sagt er. «Wenn das kommt, kann ich grad zurücktreten.»

Immer wieder habe er bei der «Republik» in Erfahrung zu bringen versucht, ob der Artikel über ihn erscheine – und vor allem: ob das noch vor den Wahlen geschehe.

In einer Stellungnahme von gestern meinte Villiger, dass er die superprovisorische Verfügung gegen die «Republik» erwirkt habe, damit keine falschen Anschuldigungen verbreitet werden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Luzern habe die Angelegenheit eingehend untersucht, alle Aspekte beleuchtet, keine strafbaren Handlungen festgestellt und hat das Verfahren mit Verfügung vom 16. Februar 2018 eingestellt. (duc)

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