Der Wecker hatte zwar Maxiformat, doch klingeln konnte das Werk aus Papiermaché und Karton natürlich nicht. Der Weckruf, den die Operation Libero mit ihrem Riesenwecker draussen auf dem Bundesplatz nach drinnen in den Ständerat schicken wollte, wurde denn auch nicht erhört: In der mehrstündigen Debatte ums Sexualstrafrecht und der Definition von Vergewaltigung verwarf die kleine Kammer die geforderte «Nur Ja heisst Ja»-Lösung mit 25 zu 18 Stimmen.
Bei dieser Zustimmungslösung wird Sex dann als einvernehmlich definiert, wenn beide Seiten Ja dazu gesagt haben. Auch wenn damit nicht ein Vertrag gemeint ist, wie die Gegner gern flapsig behaupten. Von links bis Libero weibeln eine ganze Reihe Organisationen – darunter auch Amnesty International – für diese Änderung im Sexualstrafrecht.
Ständeräte setzen auf Ablehnung
Bislang erfolglos: Der Ständerat hat sich für die schwächere Variante eines «Nein heisst Nein» ausgesprochen. Bei dieser ist der Widerspruch entscheidend. Sex oder sexuelle Handlungen werden dann als Vergewaltigung definiert, wenn diese gegen den Willen einer Person passieren – diese also Nein gesagt oder signalisiert hat. Auch der Bundesrat hatte sich für diese Variante starkgemacht.
Selbst jene Ständerätinnen der Mitte, deren Frauenpartei sich für die Ja-heisst-Ja-Lösung ausgesprochen hatte, schlossen sich der Ablehnungslösung an. Auch wenn die Luzerner Ständerätin Andrea Gmür (57) einen Kompromiss versuchte: Sie wollte, dass Freezing explizit ins Gesetz geschrieben wird – jene Reaktion, die viele Opfer von sexueller Gewalt zeigen. Sie frieren angesichts der Gewalt ein, verfallen in Schockstarre – und können sich so weder körperlich noch verbal äussern und damit auch nicht Nein sagen. Letztlich verwarf der Rat aber auch diese Variante.
Nötigung nicht mehr zwingend
Unter Experten ist umstritten, ob die zwei Varianten in der Praxis überhaupt einen so grossen Unterschied machen würden. Denn sowohl ein Nein als auch ein nicht gegebenes Ja seien im konkreten Fall schwierig zu beweisen.
Wichtiger als Ja- oder Nein-Version ist, dass beide Varianten weiter gehen als das geltende Sexualstrafrecht. Im Moment reicht nämlich nicht einmal ein Nein: Rechtlich liegt erst dann eine Vergewaltigung vor, wenn der Täter die Frau zum Geschlechtsverkehr zwingt, ob nun durch körperliche Gewalt, Drohungen oder psychischen Druck. Dass dieses Nötigungselement entfallen soll, nannte Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) einen «Meilenstein».
Einen Paradigmenwechsel gibt es nach dem Willen des Ständerats auch bei der Frage, wer überhaupt rechtlich eine Vergewaltigung geltend machen kann. Männer konnten dies bislang nicht. Neu soll sich das ändern, indem der Artikel geschlechtsneutral formuliert wird.
Debatte geht weiter
Für Keller-Sutter ist die Reform des Sexualstrafrechts ohnehin nur ein Puzzleteil im Kampf gegen sexuelle Gewalt. Sie kündigte zudem ein Projekt an, das die Strafverfolgung bei sexueller Gewalt in den Kantonen vergleichen soll. Denn noch immer ist es so, dass in manchen Kantonen mehr Urteile wegen Vergewaltigung gesprochen werden als in anderen.
Beendet ist auch die Debatte noch lange nicht: Als nächstes wird der Nationalrat am Zug sein.