Wahlsieg im Aargau
Cédric Wermuth lehrt der SP das Siegen

Im Vergleich zur Vergangenheit ist die Partei immer noch in der Baisse. Immerhin: Im Aargau gibt es einen Lichtblick. Die Genossen gewannen die Kantonsratswahlen. Für den Hoffnungsschimmer verantwortlich. SP-Nationalrat Cédric Wermuth.
Publiziert: 30.10.2016 um 18:28 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:24 Uhr
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Nationalrat Cédric Wermuth und Aargauer SP-Parteipräsident fährt durch den Kanton und räumt nach gewonnener Wahl die Plakate ab.
Foto: SABINE WUNDERLIN
Simon Marti und Marcel Odermatt

Den Zustand einer Partei kann man auch daran ermessen, wie sie ihre Siege feiert. Der Triumph der Sozialdemokraten im Aargau vom vergangenen Sonntag war mehr als Balsam für die geschundenen roten Seelen – für die SP ist es der Silberstreif am Horizont. Satte 3,7 Prozent hat die SP zugelegt, fünf zusätzliche Sitze erobert und verlorenes Terrain zurückgewonnen – auf Kosten der Mitteparteien CVP und BDP.

Ein selten deutlicher Erfolg für die Linke und Cédric Wermuth (30), Nationalrat, ehemaliger Cheftrommler der Juso und seit zwei Jahren Co-Präsident der Aargauer Sektion. Parteipräsident Christian Levrat (46) zeigt sich derart entzückt vom Genossen aus der Deutschschweiz, dass bereits heftig spekuliert wird, ob und wann Wermuth ihn beerben könnte.

«Ach was», winkt Wermuth ab. «Klar ist das Amt des Parteipräsidenten spannend, aber die Frage nach Levrats Nachfolge stellt sich zurzeit schlicht nicht.» Und überhaupt würden sich da als junger Familienvater noch ein paar schwierige Fragen stellen. Klingt logisch und loyal. Aber nicht wie ein Dementi.

SP hat einen schweren Stand

«Er ist blitzgescheit und ein guter Redner, Rhetoriker und Schreiber, keine Frage», lobt Yvonne Feri (50). Die SP-Nationalrätin kämpft im zweiten Wahlgang um den Einzug in den Aargauer Regierungsrat. Wermuth habe viele Ideen, setze starke Impulse, lobt sie.

Nicht immer sind die ganz grossen Würfe gefragt. Am Freitagnachmittag streift Wermuth durch den Aargau, um die Überreste des Wahlkampfes zu beseitigen. In Gebenstorf steigt er aus dem roten Mobility-Auto und zieht ein ebenso rotes SP-Plakat aus dem Hang neben der Strasse. Die grosse Bühne, auf der Wermuth so gerne glänzt, das Bundeshaus und das Studio der «Arena», all das ist weit weg zwischen Baden und Brugg.

Während sich Wermuth am Plakat zu schaffen macht, analysiert er die geschlagene Schlacht. «Unser Rezept war denkbar einfach, wir gingen die Wähler direkt an. Auf der Strasse bei Standaktionen, zu Hause am Telefon.» Die Mobilisierung der Linken hat die SP geschafft.

Wermuths Partei hat eine schwierige Zeit hinter sich. Seit Jahren findet sie kein wirksames Rezept auf die einfachen Parolen von rechts. «Das muss aufhören», sagt Wermuth. Im Aargau hätten sie gezeigt, wie das funktionieren kann. Beispiel Migrationspolitik. «Hier haben wir uns zu lange weggeduckt. Dabei schätzen es die Menschen, wenn wir die SVP offen angreifen, ihre Sprüche entlarven.» Wenn jemand finde, die drei Prozent Ausländer, die in seinem Dorf leben, seien ein Problem, «müssen wir den Mut haben, zu widersprechen».

Nicht nur Klassenkampf

Für die Partei hat sich diese offensive Taktik ausgezahlt. Nun munkeln manche, dass Wermuth ein weit besserer Wahlkämpfer als Nationalrat sei. «Das Klein-Klein in Bundesbern liegt ihm nicht besonders», sagt ein Fraktionskollege. Er liebe die Grundsatzdiskus-sionen. «Am besten in aller Öffentlichkeit.»

Wermuth widerspricht. «Ich glaube, ich habe in der Finanz- und in der Staatspolitischen Kommission bewiesen, dass ich sehr wohl dossierfest bin und Detailarbeit machen kann.» Aber einfach nur ­Parlamentarier sein, sei ihm zu wenig. «Mich interessiert das grosse Ganze.»

Was würde er denn tun, wenn er an der Spitze der Partei stünde, verantwortlich für das grosse Ganze? «Christian Levrat beherrscht die Sprache des Klassenkampfes hervorragend, das sollten wir weiter pflegen.» Aber es gebe noch andere, gesellschaftliche Themen, welche die SP zu lange stiefmütterlich behandelt habe. «Jedem Arbeiter muss klar sein: Er ist nur frei, solange auch sein schwuler Nachbar frei und gleichberechtigt ist.»

Was nicht länger gehe, sagt der studierte Historiker, sei ein arrogantes und überhebliches Auftreten der Linken. «Hillary Clinton beschimpft die Anhänger Trumps als dumme Ignoranten, das ist ein kapitaler Fehler, das darf uns nicht passieren.» Man müsse die neuen Rechten frontal bekämpfen. «Aber die Ängste ihrer Anhänger darf man nicht lächerlich machen.»

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