BLICK: Die FDP legte bei den Wahlen in Zürich massiv, in Appenzell Ausserrhoden ein wenig zu. Auch die SVP gewann in beiden Kantonen. Ist rechte Politik im Trend?
Michael Hermann: Es ist in der Tat bemerkenswert, dass nun bereits in vier Kantonen in Folge sowohl FDP als auch SVP zulegten. In früheren Jahren nahmen sich die beiden Parteien im rechtsbürgerlichen Lager jeweils Stimmen weg. Nun gewinnen sie gemeinsam – auf Kosten von Mitte und links.
Sind tatsächlich wirtschaftliche Gründe wie etwa die Frankenstärke Gründe dafür?
Diese Erklärungen greifen zu kurz. Die Verunsicherung war während der Bankenkrise und der Eurokrise grösser als heute.
Was ist also Ihre Erklärung?
Die viel beschworene Trendwende bei den eidgenössischen Wahlen 2011 war gar keine. Das Hoch der neuen Mitte und des ökologischen Lagers war nur von kurzer Dauer. Aussergewöhnliche Ereignisse wie der Auftritt von unverbrauchten Mitteparteien und Fukushima führten 2011 zu einem aussergewöhnlichen Ergebnis. Nun profitiert die FDP davon, dass es in der Mitte ein richtiges Gedränge gibt: CVP, BDP, GLP und EVP – alles Mitteparteien. Den Exklusivplatz Mitte-rechts haben sie kampflos der FDP überlassen.
Die klare Positionierung Mitte-rechts war die Strategie von Ex-FDP-Chef Fulvio Pelli. Zahlt sich dies nun auch bei den Wahlen im Herbst aus?
Mit diesem grandiosen Ergebnis aus Zürich gibts sicherlich eine Dynamik. Ein Erfolgshype, von dem sie profitieren wird. Zürich definiert häufig, welche Parteien angesagt sind. Deshalb ist ein klarer Sieg des rechtsbürgerlichen Lagers auch im Herbst möglich. Dass die FDP zulegen wird, ist so gut wie sicher.
Sicher wäre dann auch: Der Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf würde stärker wackeln denn je. Falls die BDP wie bei den letzten Wahlen weiter verliert.
Ja. Dann gibt es einen massiv stärkeren Druck auf Widmer-Schlumpf als 2011. Denn damals war die BDP eine Gewinnerpartei – sie konnte ihren Bundesratssitz mit dem Potenzial nach oben begründen.
Droht ihr also die Abwahl?
Sollte es national einen mit Zürich vergleichbaren Rechtsrutsch geben und die BDP verlieren, ist es sehr gut möglich, dass Widmer-Schlumpf selber abtritt. Wenn nicht, ist auch eine Abwahl möglich. SVP und FDP brauchen dazu keine Mehrheit im Parlament – eine solche werden sie auch nicht erringen. Aber mit dem Rechtsrutsch würden Mittepolitiker mitgezogen – und plötzlich reichen nur eine paar solche Stimmen für einen erfolgreichen Abwahlplan.
Und dann?
Dann ist ein Rechtsrutsch auch im Bundesrat möglich. Eine Regierung mit zwei FDP- und zwei SVP-Bundesräten würde zur wahrscheinlichsten Variante.